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Der Kindersammler

Titel: Der Kindersammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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offen lassen. Sicher kam gegen zehn eine Putzfrau oder Paolo, dem der Laden gehörte, um aufzuräumen und die Vorräte aufzufüllen, aber zehn war viel zu spät. So durfte Anne ihn nicht sehen.
    Er ging zurück in das Hinterzimmer mit dem Spieltisch. Die klebrigen Karten vom Vorabend lagen im Papierkorb. Sergio hatte ein Messer gezogen, so viel wusste er noch, ein verdammtes Messer. Er hatte noch einmal Schwein gehabt. Rechts hinter den Spielautomaten war die Treppe zum Klo. Kai ging vorsichtig die Treppe hinunter, Stufe für Stufe, jetzt bloß nicht noch hinfallen und sich die Knochen brechen.
    Er hielt seinen Kopf über einem Waschbecken unter fließendes Wasser. Minutenlang. Danach ging es ihm besser. Er öffnete die Tür zur Damentoilette und sah, dass unterhalb der Decke ein Fenster gekippt war.
    Er kam sich vor wie der letzte Penner, als er auf dem Klodeckel stand und mit maßloser Kraftanstrengung versuchte, sich an der schmierigen Wand so weit hochzuziehen, dass er sich aus dem Fenster zwängen konnte. »Vaffanculo«, stand über dem Spülbecken, »leck mich am Arsch.«
    Als er sich ins Freie drückte, fasste er in etwas Weiches und zuckte zurück. Da lag eine halb verweste, tote Maus, die Gedärme von irgendeinem hungrigen Tier herausgefressen. Er schüttelte sich und kroch weiter. Mit Todesverachtung. Bis er schließlich aufrecht im Hinterhof stand. Er befand sich etwas oberhalb von Siena. Sein Blick fiel über die Stadt. Einige der Dächer glänzten im Licht der frühen Sonne, und erleichtert atmete er tief durch.
    Eine halbe Stunde später war er zu Hause und duschte so ausgiebig, als sei er ein halbes Jahr durch den Wüstendsand gerobbt. Nach einem doppelten Cappuccino mit einem Schuss Zitrone, einem halben Liter Mineralwasser und zwei Aspirin fühlte er sich besser. Das Leben hatte ihn wieder, und er schwor sich, von nun an alles anders zu machen und keine Sekunde mehr durch alkoholbedingte Bewusstlosigkeit zu verlieren.
    39
    Sie parkten auf einem kleinen Parkplatz — eigentlich eher die Ausbuchtung in einer Kurve als ein Parkplatz —, auf dem ein kleiner, grauer Fiat stand, der offensichtlich seit Monaten oder Jahren nicht mehr gefahren worden war, denn er war von hohen Gräsern fast schon zugewachsen. Aber der Wagen war nicht verrostet, die Reifen waren intakt, er schien völlig in Ordnung. Ein wunderbares Auto. Wie geschaffen für die kleinen, verwinkelten italienischen Städte mit ihren winzigen, engen Gassen.
    »Sieh mal das Auto, ein Wahnsinn ...« Anne schaute ins Innere. Ein Hammer lag auf dem Rücksitz, und hinter der Frontscheibe klemmte ein amtliches Formular. Die Steuer war bezahlt.
    »Ja. Richtig schade drum.« Kai zuckte die Achseln. »Es muss hier schon Monate stehen. Dabei ist es bereits ein Oldtimer, ein Liebhaberstück. Lässt sich fantastisch verkaufen. Und die Dinger werden auch am laufenden Band geklaut, weil alle verrückt sind nach diesen Autos.«
    »Bescheuert, das Auto hier vergammeln zu lassen.«
    Kai nahm ihren Arm und zog sie mit sich. »Guck dir erst mal das Haus an. Vielleicht ist der Fiat ja inklusive.«
    Ein schmaler, gewundener Weg führte bis zum Haus, das vom Parkplatz aus durch das dichte Laub der Bäume bereits zu erahnen war. Kai und Anne näherten sich langsam.
    Es waren eigentlich zwei Häuser. Rechts vom Weg lag ein großes, lang gestrecktes Gebäude, das sich auf dem terrassenförmigen Grundstück direkt an den Berg schmiegte und von zwei unterschiedlich hohen Terrassen in zwei Stockwerken begehbar war. Das zweite Haus lag links vom Weg und war eine klein e Mühle, sehr hoch, sehr schmal, mit zwei Etagen. Die Anordnung der beiden Häuser zueinander und der dahinter angrenzende Berg bildeten eine Art kleinen Innenhof, wodurch das Ensemble einen Zusammenhalt bekam und sehr romantisch wirkte.
    Die beiden Häuser waren von dicht bewaldeten Bergen umgeben, das hinter den Häusern geschlossene Tal öffnete sich nur zum Weg hin. Neben der Mühle schlängelte sich ein Bach, der sich nach einem Leinen Wasserfall in einem Schwimmbecken sammelte, das so zugewachsen war, dass man es auf den ersten Blick für einen Teich hielt. Am unteren Ende des kleinen Pools floss der Bach ab und suchte sich seinen Weg weiter durch Wiesen und Felsen.
    Die beiden Häuser waren mit Efeu und Passionsblumen bewachsen, neben der Eingangstür wucherten Lavendel, Rosmarin und Salbei.
    »Was ist das?«, flüsterte Anne. »Das Paradies?«
    Kai antwortete nicht.
    Auf der höchstgelegenen

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