Der Kirchendieb
enttäuschtes Gesicht. Aufeinen Schlag waren ihre Träume wie Seifenblasen geplatzt. »Du hast recht. Bestenfalls bekomme ich einen Tritt in meinen Allerwertesten.«
Wie ein Häufchen Elend saß sie nun da und tat Andreas leid.
»Du brauchst Beweise, Johanna. Ohne die brauchst du dort gar nicht antanzen. Aber ich kann dir ja helfen«.
Johanna sah Andreas fragend an.
»Wir beschatten den Zenker auf Schritt und Tritt. Was hältst du davon?«
Johanna war immer noch viel zu enttäuscht, um sich von Andreas’ Tatendrang anstecken zu lassen. »Wie sollen wir zwei denn
den Zenker beschatten? Ich muss hier arbeiten und du darfst nachts nicht aus dem Haus.«
Doch Andreas ließ sich nicht entmutigen. »Wa rum nur wir zwei? Du holst deine Bande dazu und ich meine. Zusammen schaffen wir das schon.«
Johanna sah ihn verblüfft an. Krischers Worte kamen ihr wieder in den Sinn.
Arm und Reich. Das geht einfach nicht zusammen
. »Ich glaube nicht, dass das klappt. Meine Leute wollen nichts mit deinen reichen Schnöseln zu tun haben und die nichts mit
uns stinkenden Gossenkindern.«
»Und den Zenker willst du deshalb einfach so davonkommen lassen? Er raubt weiterhin ungestraft die Gotteshäuser aus, wird
dabei reich, und diesen
Holzbock
lässt du unschuldig hängen?« Andreas sah sie eindringlich an. »Johanna Janssen, das sieht dir aber gar nicht ähnlich!«
Johanna dachte über Andreas’ Worte nach.
»Glaubst du wirklich, dass wir sie dazu bringen können, gemeinsam an einem Strang zu ziehen?«
»Warum nicht! Einen Versuch ist es wert. Auf mich hören meine Jungs. Wie es mit deinen steht, weiß ich nicht«.
Jetzt fühlte sich Johanna in ihrer Anführerehre gekränkt.
»Sie folgen mir aufs Wort. Du wirst schon sehen«.
»Gut! Dann lass uns ein Treffen vereinbaren!«
»Ich treffe mich mit meinen Jungs am Sonntag. Da habe ich vormittags frei. Gleich nach dem Gottesdienst unten am Hafen, wo
die niederrheinischen Schiffe ankern. Dort gibt es immer was zu sehen«, meinte Johanna zögerlich. Sie war noch immer skeptisch.
»Das klappt schon. Wirst sehen. Bis dahin haben wir noch einen ganzen Tag Zeit, uns zu überlegen, wie wir den Zenker überführen.«
Andreas war vollerAbenteuerlust. »Wir finden das Diebesgut, dann kann er nichts mehr abstreiten.«
Andreas’ Zuversicht sprang schließlich doch noch auf Johanna über.
»Genau! Und dann sag ich zu den feinen Ratsherren:
Her mit der Belohnung!
Und das viele Geld teile ich dann auf. Den größten Anteil bekommt meine Mutter. Und meine Bande bekommt natürlich auch etwas«.
Johannas Augen leuchteten. »Was glaubst du, wie viel es ist?«
Andreas zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Aber bevor du das Geld verplanst, müssen wir Beweise finden. Lass uns
jetzt schlafen. Denn wenn wir müde sind, finden wir garantiert nichts heraus. Außerdem muss ich morgen auf jeden Fall den
Meister Zenker über mich ergehen lassen. Also gute Nacht.«
Johanna gähnte plötzlich. Die letzte Nacht steckte ihr noch in den Knochen. Und es war bereits kurz vor Mitternacht. »Du hast
recht. Gute Nacht, Andreas«, sagte sie müde und wandte sich zur Tür.
»Gleich morgen in der Schule sage ich meinen Leuten Bescheid«, flüsterte Andreas noch, ehe auch er herzhaft gähnte und sich
in seine weichen Kissen plumpsen ließ.
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Das Treffen
Den ganzen Samstag hatte sich Johanna Gedanken darüber gemacht, wie sie ihre Jungs zur Zusammenarbeit mit dem Feind überreden
könnte. Die Belohnung würde hoffentlich Anreiz genug sein. Wie aber Andreas seine reichen Freunde überzeugen wollte, war ihr
ein Rätsel.
Der Sonntag kam, und Johanna sah endlich ihre Familie wieder, wenn auch nur in der Kirche.
Ihre Mutter und Brüder erwarteten sie bereits ungeduldig vor dem Eingang. Jeder wollte sie in die Arme schließen. Alle redeten
gleichzeitig auf sie ein und wollten wissen, wie es ihr ging, wie es in einem so herrschaftlichen Haus aussah und was sie
den ganzen Tag machte. Johanna aber brachte kein Wort heraus. Tränen liefen ihr über das Gesicht.
Während der gesamten Messe hielt Johanna die Hand ihrer Mutter fest, ließ sie nicht einmal los. Die andere Hand bekam Gero.
Die beiden Kleinen klammerten sich an die Beine ihrer großen Schwester. So standen sie über eine Stunde lang mittenunter zahlreichen anderen Gläubigen und warteten auf den priesterlichen Segen.
Der sonst nie enden wollende Gottesdienst verging diesmal wie im Flug. Am liebsten hätte
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