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Der Kirschbluetenmord

Der Kirschbluetenmord

Titel: Der Kirschbluetenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Künste – die Absicht habe, Kikunojō als Anerkennung für seine Verdienste auf dem Gebiet der Schauspielkunst den Status eines Samurai zu verleihen; aber noch war der onnagata ein gemeiner Bürger, und gemeine Bürger ritten nicht. Allmählich machte Sano die Verfolgung Spaß.
    Plötzlich, als Kikunojō am Yūki-za-Puppentheater vorüberkam, wurde die Tür geöffnet, und eine Gruppe Männer strömte heraus: Samurai, die nach der Vorstellung das Theater verließen. Augenblicklich war Kikunojō zwischen den Männern verschwunden. Sano stürmte los und versuchte verzweifelt, das Objekt seiner Beschattung wieder zu entdecken.
    »He! Paßt doch auf, wo Ihr hintretet, Bruder«, sagte jemand. Der Sprecher packte Sano und schob ihn in die Richtung zurück, aus der er gekommen war.
    Sano riß sich los und kämpfte sich wieder bis zum Yūki-za durch. Als er das Puppentheater erreichte, war von Kikunojō weit und breit nichts mehr zu sehen. Sano blickte die Straße hinauf und hinunter und spähte in die nächste Seitengasse. Nichts. Kikunojō war wie vom Erdboden verschluckt. Plötzlich erblickte Sano vor dem Eingang des Puppentheaters drei Paare von Sänftenträgern, die soeben die Tragebalken ihrer Transportgeräte auf ihre Schultern hoben und lostrotteten. Sofort hatte Sano den Verdacht, daß der onnagata in einer der drei Sänften saß, deren Fenster von Vorhängen verdeckt waren. Aber in welcher?
    In Ermangelung einer besseren Idee erwählte Sano auf gut Glück eine der Sänften. Er folgte den Trägern in eine stille Straße unweit des Theaterviertels, in der sich die festen Ziegeldächer und die soliden, schmucken Fachwerkwände der Häuser reicher Kaufleute über hölzernen Zäunen erhoben. Hinter einem öffentlichen Anschlagbrett versteckt, beobachtete Sano, wie die Träger hielten und die Sänfte vor einem Tor absetzten. Lag hinter diesem Tor die Villa von Kikunojōs Geliebter? Sano spähte auf die Fenster und hoffte, einen Blick auf die Frau zu erhaschen.
    Der Vorhang der Sänfte hob sich. Zu Sanos maßloser Enttäuschung war der Passagier, der ausstieg, nicht Kikunojō, sondern ein sehr alter, sehr betrunkener Mann. Er schwankte bedrohlich und ließ sein Geld zu Boden fallen, als er die Sänftenträger bezahlen wollte.
    Sano verfluchte sein Pech, als er sich auf den Weg zurück ins Theaterviertel machte, um sein Pferd aus dem Mietstall zu holen. Nun mußte er sich doch den Tratsch und Klatsch der Theaterleute anhören, um nähere Informationen über Kikunojōs Geliebte zu bekommen. Doch derart langweilige Aussichten gefielen Sano nach der aufregenden Verfolgung ganz und gar nicht. Er hatte Geschmack an der Detektivarbeit gefunden. Der für ihn vollkommen neue Gedanke, daß auch Täuschung und Verstellung einem ehrenvollen Zweck dienen konnten, reizte ihn sehr. Er dachte an Kikunojōs Bemerkung über Raikō, den Ringer, Noriyoshis anderes Erpressungsopfer, und erinnerte sich, daß auch Wisterie einen Sumo-Ringer erwähnt hatte. Also beschloß er, zuerst einmal nach Raikō Ausschau zu halten.
     
    Er fand den Ringer in einem schäbigen Vergnügungsviertel in der Nähe der Nihonbashi-Brücke, das vor allem von gemeinen Bürgern besucht wurde. Der Besitzer eines der Teehäuser, in denen Eintrittskarten für die großen, offiziellen Sumo-Kämpfe verkauft wurden, hatte Sano den Weg durch das Gewirr der namenlosen Straßen Nihonbashis so ausführlich beschrieben, daß er nun fast alles finden konnte.
    »An dem großen Möbelgeschäft müßt Ihr von der Nord-Süd-Hauptstraße nach links abbiegen«, hatte der Mann gesagt. »Von dort geht’s dann immer geradeaus, an den Straßen der Silberschmiede und der Korbmacher und dann an mehreren Wäschereien vorbei. Ihr könnt sie an den Gestellen auf den Dächern erkennen, an denen die Wäscherinnen die Sachen trocknen. Dort müßt Ihr rechts ab. Dann kommt Ihr am Nudel-Eßlokal, dem Friseurladen und drei weiteren Teehäusern vorbei. Dann seid Ihr fast am Ziel. Ihr findet Raikō an der Straße vor dem Haus des Geschichtenerzählers. Das ist sein Revier.«
    Sano ritt an den Straßen der Silberschmiede und der Korbmacher vorbei. Er fand die Wäschereien und das Nudellokal, den Friseurladen und die drei Teehäuser. Vor dem Haus des Geschichtenerzählers hatte sich eine lärmende Menge versammelt – aber offensichtlich nicht, um dem alten Mann zu lauschen, der im Innern des Gebäudes eine Gruppe von Müttern und deren Kinder mit seinen Geschichten unterhielt: Die ungeteilte

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