Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Klabautermann

Der Klabautermann

Titel: Der Klabautermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
hörte auf, sein Bierglas zu streicheln, setzte es auf dem Tischchen ab und richtete sich auf.
    »Wie meinen Sie das, Beatrice?« fragte er.
    In diesem Augenblick ritt Beatrice der Teufel, anders kann man es nicht nennen. Mit fröhlicher Stimme, Hallinsky zublinzelnd, sagte sie unbefangen etwas, was den Alltag auf dem Schiff völlig veränderte. Es sollte ein Scherz sein, aber genau in dieser Situation war ein Scherz so etwas wie das Aufdecken eines gefährlichen Geheimnisses.
    »Ich verrate es Ihnen ganz im Vertrauen«, sagte sie leise. »Die Schiffsleitung ist zu dem Schluß gekommen, daß hier der Klabautermann seine Hände im Spiel hat.«
    »Der – was?« Hallinsky blickte Beatrice zweifelnd an. »Der Klabautermann?«
    »Genau der. Sie kennen doch sicherlich die alte Seemannssage vom Klabautermann. Ein Kobold, der auf den Schiffen seine Streiche treibt.«
    »Ein Kobold!« Hallinskys Gesicht glänzte. »Das ist ja toll!« Er machte eine weite Handbewegung, die das ganze Sonnendeck einschloß. »Da werden unsere Damen aber quietschen.«
    »Ein Klabautermann tut den Passagieren nichts … nur der Schiffsbesatzung. Das ist ein uralter Streit zwischen ihnen.«
    »Mir hat er 'n Bier geklaut. Zwei Biere! Oh, wenn ich den erwische, Beatrice.«
    »Ein Klabautermann ist unsichtbar … eben ein Geist; ein fröhlicher oder böser Kobold, ganz nach Laune.« Nun ist es genug, dachte Beatrice, sonst artet der Witz noch aus. Sie legte den Finger an die Lippen und blinzelte Hallinsky wieder an. »Aber bitte … pssst … nichts verraten …«
    Hallinsky sah ihr nach, bis sie hinter der Eisentür verschwand, musterte ihre schlanken Beine, den Hüftschwung beim Gehen, das Wippen ihrer Haare und seufzte tief auf. Er stemmte sich hoch, zog seinen Bademantel über, schnallte die Schnur wieder um sein Handgelenk, nahm den Bierseidel in die Hand und ging hinüber auf die andere Seite des Sonnendecks, wo auf ihrem Stammplatz die Baronin von Sahlfelden lag und wieder in einem Buch las, diesmal war es eines von Simmel.
    Auf dem Weg dorthin kam Hallinsky an den Liegestühlen des Ehepaares Ahlers vorbei und blieb stehen, als Peter Ahlers fröhlich zu ihm hochrief:
    »Sie haben's erfaßt! Alles anbinden, das einzig Richtige. Meine Frau legt auch nichts mehr ab, ohne es im Auge zu behalten.« Ahlers lachte noch einmal auf. »Die Schnur steht Ihnen gut.«
    Hallinsky hielt diese Bemerkung für denkbar unangebracht. Ein Witz war immer gut, aber sich über andere Menschen lustig zu machen – vor allem, wenn er selber dieser Mensch war –, das fand er scheußlich. Er sagte denn auch mit ernster Miene:
    »Kennen Sie den Klabautermann?«
    »Nicht persönlich.« Ahlers Fröhlichkeit war geradezu provozierend, fand Hallinsky. »Soll aber ein munterer Knabe sein. Es heißt, ein Schiff, auf dem der Klabautermann ist, kann nicht untergehen. Heute ersetzt man Klabautermänner durch wasserdichte Schotten … Es gibt keine Poesie mehr.«
    »Ich habe gerade mit Beatrice gesprochen.« Hallinsky blickte auf Lotti Ahlers, die in einem winzigen Bikini und mit einer riesigen Sonnenbrille die Tropenwärme genoß. Sie hörte ihm aufmerksam zu. »Sie sagt, die Schiffsleitung sei der Ansicht, daß wir an Bord einen Klabautermann haben.«
    Es war wie nach einem plötzlichen Schuß. Lotti Ahlers zuckte hoch und gab einen undefinierbaren Laut von sich. Er klang etwas nach »Ah!«. Peter Ahlers warf einen strafenden Blick zu Hallinsky hinauf und legte beruhigend die Hand auf Lottis Schenkel.
    »Aber Liebling«, sagte er, »der Klabautermann ist doch nur eine Sage … oder ein Märchen … jedenfalls so ähnlich …«
    »Das sagt man so leicht daher.« Hallinsky beachtete nicht, daß Ahlers ihm mit Augen und Gesichtszucken heimliche Signale gab. Ich werd dir helfen, sich über mich und mein Bier lustig zu machen, dachte er. Aber dann, als er weitersprach, geriet er in einen Zustand seines Denkens, der ihn selbst glauben ließ, was er sagte. »Überlegen Sie mal scharf: Kann der Wind einen Schal verknoten? Kann der Wind mir zwei Biergläser leertrinken? Wer hat der Baronin zweimal den Liegestuhl weggetragen? Und was hier alle noch nicht wissen: Gestern nacht hat ein Herr, der aus der Bar kam, auf dem Gang zu seiner Kabine einen Tritt in den Hintern bekommen. Und was für einen Tritt! Aber er war allein; keiner befand sich hinter ihm, als er sich nach dem ersten Schrecken rumdrehte. Der Schiffsarzt bestätigte ihm heute einen blauen Fleck am Hintern.« Hallinsky holte

Weitere Kostenlose Bücher