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Der Klabautermann

Der Klabautermann

Titel: Der Klabautermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kapitän Hellersen blieb mit den Gästen an seinem Kapitänstisch; er ging normalerweise immer erst nach drei Pflichttänzen mit den Damen.
    Wilhelmine Möller, allein an ihrem Tisch, wurde von keinem zum Tanzen aufgefordert, denn alle nach dem Konzert Zurückgebliebenen waren Ehepaare. Welcher Ehemann würde es wagen, in Gegenwart seiner Frau eine andere Dame zum Tanz zu bitten! In aller Ruhe trank Wilhelmine ihr Sektglas aus, erhob sich dann, zeigte sich in aller ihrer wohlproportionierten Fülle, die Kenner Reife nennen, und verließ mit geradezu stolzen, hoheitsvollen Schritten den Saal.
    Beatrice folgte ihr, beeilte sich in der Halle und erreichte mit ihr zusammen den Lift. Wilhelmine Möller lächelte ihr zu.
    »Wohin darf ich drücken?« fragte sie und legte den Zeigefinger auf das Tastenbrett des Lifts.
    »Wohin Sie fahren, Frau Möller …«
    »In die Nachtbar?«
    »Ja …«
    Frau Möller drückte den letzten Knopf. Lautlos glitt der Lift in die Tiefe zum untersten Deck. »Sie haben heute Ihren freien Abend, Beatrice?« fragte sie dabei.
    »Ja. Aber morgen um sieben geht der Dienst weiter. Es wird also für mich nicht spät werden.«
    »Ich stelle mir den Beruf einer Schiffsstewardeß sehr anstrengend vor. Immer freundlich sein, nie Launen zeigen, aber klaglos die Launen der Passagiere schlucken müssen, immer neue Ideen anbringen, mit dicken, schwitzenden Männern Wettspiele veranstalten, mit exaltierten Weibern auskommen … es ist ja manchmal unglaublich, wozu Passagiere fähig sind. Möchten Sie nicht manchmal platzen, Beatrice?«
    »Ab und zu schon, aber was nützt es? Es gäbe nur neuen, größeren Ärger. Die Passagiere haben im Durchschnitt pro Tag sechshundert Mark bezahlt – wer soviel Geld ausgibt, hat immer recht. Und wenn jemand sagt, der Spinat auf dem Teller sieht nicht grün, sondern braun aus, dann sieht er eben braun aus, und er bekommt als Ersatz schönen weißen Blumenkohl. Was soll's? Lohnt sich da ein Widersprechen? Endlose Diskussionen wegen einer Lappalie?«
    »Ich glaube, nach einiger Zeit auf dem Schiff ist man Menschenkenner und Lebenskünstler geworden.« Der Lift hielt, die Tür ging leise zischend auf. Der Eingang zur Nachtbar lag vor ihnen. Durch die Tür drang Tanzmusik in den kleinen Vorflur. »Ich möchte mich mit Ihnen mal länger unterhalten, Beatrice …«
    »Aber gern, Frau Möller. Jetzt …?«
    »Wenn Sie Zeit haben?«
    »Ich habe Zeit. Aber Sie …«
    »Wie Sie sehen, ist das keine Frage. Mein Mann liegt schon im Bett, mit Buch, Bier und Fernsehen. Das ist seine Erholung, ich gönne sie ihm.« Sie ging voraus, stieß die Tür zur Nachtbar auf, ein Steward kam ihr sofort entgegen und war verblüfft, Beatrice an ihrer Seite zu sehen. Er führte sie an einen Tisch in der Ecke der Bar, auf dem ›Reserviert‹ stand; ihr Stammtisch sicherlich. »Hier sitze ich immer«, sagte Frau Möller denn auch ohne Umschweife. »Hier kann ich die ganze Bar überblicken, sehe so manches und mache mir meine eigenen Gedanken über meine Mitmenschen. Es ist erstaunlich, wie viele eine Maske tragen und sie abwerfen, wenn der Alkohol wirkt. Ihr wahres Gesicht ist dann erschreckend oder mitleiderregend. Setzen wir uns, Beatrice.«
    Sie hatten kaum Platz genommen, da kam der Steward und servierte zwei Longdrinks. »Ich habe einfach angenommen, Beatrice trinkt das gleiche«, sagte er dabei. »Wohl bekomm's.«
    Dabei blinzelte er vielsagend und wollte gehen, aber Beatrice hielt ihn zurück.
    »Was ist das, Karl?«
    »Eine Spezialmischung für Frau Möller.«
    »Ein Rezept, das ich aus Martinique mitgebracht habe.« Wilhelmine Möller rührte mit dem Kunststoffhalm in dem braunen Getränk. »Franco hat es fabelhaft nachgemixt. Die Basis ist dunkler Rum, das weitere verrate ich nicht. Auf Martinique nennt man es ›Teufelstropfen‹. Aber so höllisch ist es gar nicht, man kann sich sogar daran gewöhnen – wie an ein Rauschmittel.«
    Sie hob das Glas, trank durch den Strohhalm und unterdrückte sichtbar ein genußvolles »Ah!«. Beatrice nahm einen vorsichtigen Schluck, und sie tat gut daran – der Drink war wirklich ein Höllenfeuer! Bei einem kräftigen Zug hätte sie nach Luft gerungen, so hustete sie nur unterdrückt.
    »Die Martinique-Teufel kommen wirklich aus der Hölle!« sagte sie etwas heiser und setzte das Glas ab.
    »Nur Gewohnheitssache, Beatrice. Nach dem dritten Glas sind Sie süchtig danach.«
    »Ich glaube nicht. Das dritte Glas überlebe ich nämlich nicht.«
    Sie lachten

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