Der Klabautermann
ihren Ehefrauen attackiert werden, hob er die Schultern.
»Aber Schatz!« sagte er beschwichtigend. »Ich habe ihr doch nur gesagt, wie gut ihr das Kleid steht.«
»Natürlich! Natürlich!« Ernas Stimme nahm einen fauchenden Ton an. »Der halbe Busen hängt heraus! Das gefällt dir natürlich! Da bekommst du Glubschaugen! Tanzt einen Rock, daß die Dinger durch die Luft fliegen. Ordinär ist das! Ja, eine durch und durch ordinäre Person ist sie … aber auf so was fliegen ja die Männer, da werden sie wie raunzende Kater.« Sie fuhr herum, ihre Augen sprühten Gift; zum erstenmal hatte sie Gelegenheit, alle Erregung zu entladen, die sich in 20 Jahren in ihr angestaut hatte. »Und dann du … ausgerechnet du … in deinem Alter … Ekelhaft ist das … direkt ekelhaft … Verdreht die Augen vor diesem Flittchen!«
»Wieso ist eine Frau ein Flittchen, wenn sie einen schönen Busen hat?« warf Arno ganz richtig und dennoch ungeheuer idiotisch ein. Ein Schuldloser ist immer ein Tölpel, rhetorisch raffiniert sind nur die, die etwas zu verbergen haben. »Du hattest auch einen schönen Busen …«
Gibt es soviel Dämlichkeit? Die Vergangenheitsform wirkte auf Erna wie ein Einschuß. Hattest … das heißt vorbei. Drei Kinder hinterlassen nun mal Spuren.
Sie holte ganz tief Luft, sah Arno haßerfüllt an und zischte:
»Merkst du denn nicht, wie lächerlich du dich machst? Die Leute lachen ja über dich, wenn du da rumhopst wie ein Affe. Ich habe mich für dich in Grund und Boden geschämt. Eine lächerliche Figur machst du aus dir; nur, weil vor dir zwei Brüste wackeln.«
»Lächerlich ist allein deine grundlose Eifersucht«, erwiderte Falkenhausen, jetzt doch etwas versteift.
»Grundlos … wenn du den Weibern die Hände ableckst …?«
»Du gehst ja schon in die Luft, wenn ich anderen Frauen nur die Hand gebe.«
»Weil ich weiß, was du dabei denkst! Mit der mal allein sein – das denkst du bei jeder Frau. Wie sieht sie nackt aus … wie ist sie im Bett …«
»Erna, ich bitte!« Falkenhausens Stimme wurde hart. »Heute ist unsere Silberhochzeit.«
»Nur schmutzige Gedanken … schmutzig … schmutzig …«, giftete sie weiter. »Silberhochzeit! Vom ersten Tag an hast du mich betrogen! Und immer mit solchen Hürchen! Ich brauch nur deine Blicke zu sehen, dann weiß ich alles. Dann tropft dir der Geifer aus dem Mund! Oh, wie ich dich hasse …«
Arno Falkenhausen sah keine Möglichkeit mehr, diesen Redefluß einzudämmen. Jedes Wort der Entgegnung reizte sie nur noch mehr. Er hob wieder resignierend die Schultern, beendete sein Bemühen, eine schöne Silberhochzeit zu feiern und winkte ab.
»Mit dir ist ja nicht mehr vernünftig zu reden«, sagte er, sehr beherrscht. »Deine Eifersucht ist schon pathologisch. Kühl dich hier draußen etwas ab, ich gehe in die Kabine. Ich habe die Nase voll. Den Champagner in der Kabine kann ich ja wohl in den Ausguß gießen.«
»Trink ihn doch mit deinen Flittchen!« schrie sie wild. »Die Betten sind breit genug für drei.«
»Man kann es ja mal ausmessen«, sagte er sarkastisch, was natürlich auch wieder eine Riesendummheit war, denn eine aus Eifersucht tobende Frau hat keinen Draht zu feiner Ironie. Er stieß sich von der Reling ab und verließ, im Inneren ratlos vor soviel Ungerechtigkeit, das Promenadendeck.
Erna starrte ihm nach, und als er die Tür aufriß, rief sie ihm noch nach: »Und blamier dich nicht bei diesen Weibern! Die sind anderes gewöhnt als einen müden Fünfzigjährigen.«
Mit geballten Fäusten suchte sie noch nach einem deftigen Schimpfwort, aber als ihr keins einfiel, hieb sie auf den Handlauf der Reling, umklammerte ihn dann und starrte wütend hinaus auf das mondhelle Meer.
Silberhochzeit. Auf der Java-See. Auf der Fahrt nach Singapur. Das ist doch ein Traum, den sich die wenigsten erfüllen können. Wir haben ihn wahrgemacht, nach 25 Jahren harter Arbeit, nach Tiefen und Höhen im Geschäft, im ewigen Kampf gegen die Konkurrenz, bis der ›Donatella‹-Schuh sich durchgesetzt hatte. Und nun, nach diesen gemeinsamen 25 Jahren, eine solche ›Feier‹?
Der Zorn begann zu verrauchen, Erna wurde ruhiger. Ihre Eifersucht, das wußte sie, war sinnlos, war ungerecht, war Arno gegenüber ein beleidigendes Mißtrauen. Sie hatte genug Freundinnen, deren Ehemänner sich Geliebte leisteten … nur Arno nicht. Und das wollte ihr nicht in den Sinn. Diese Freundinnen beantworteten die Untreue ihrer Männer damit, daß auch sie sich Geliebte hielten,
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