Der Klang Deiner Gedanken
einen Bruchteil von Jacks Ausstrahlung gehabt hätte, dann würde Allie ihn heiraten, und nicht diesen Lackaffen Baxter. Walt nahm einen großen Schluck Cola, um die Verbitterung herunterzuspülen. Ray und Jack waren echte Glückspilze. Sie hatten alles und waren trotzdem herzensgute Menschen.
„Bist du vorher noch mal zu Hause gewesen?“, fragte Walt.
„Zehn Tage. Hatte ganz vergessen, wie schön Antioch zu dieser Jahreszeit ist – alles grünt und überall wachsen die Wildblumen.“
Walt nickte. „Wie geht’s Mom und Dad?“
„Sie werden langsam alt. Komisch, wie sehr man das merkt, wenn man nur einmal im Jahr da ist.“
„Ist mir auch aufgefallen. Der Krieg macht die Sache nicht besser.“
Jack prostete Charlie an der Bar zu. „Zum ersten Mal sind zwei ihrer Söhne an der Front. Als ich im Pazifik stationiert war, warst du noch in der Ausbildung. Und als ich zurückkam, gingst du gerade an die Front. Sie geben sich natürlich tapfer, aber ich weiß, dass Mom sich Sorgen macht.“
Walt legte die Stirn in Falten. Mom hatte allen Grund, sich Sorgen zu machen. In Thurleigh fehlten inzwischen einundzwanzig Crews – entweder verschollen in deutschen Gefangenenlagern oder getötet. Der Wahrscheinlichkeit nach würde zumindest einer der beiden Novaksöhne nicht lebend zurückkehren.
„Grandpa und Grandma geht es dafür gut“, sagte Jack. „Sie werden natürlich auch langsamer. Mir gegenüber hat Grandpa zugegeben, dass er mit dem Gedanken spielt, sich nach dem Krieg eventuell jemanden für die Farm anzustellen.“
Walt lächelte. „Für Grandpa ist das dasselbe wie aufgeben.“
Charlie kam mit einer Tasse Kaffee zu ihrem Tisch und verbeugte sich mit einer ausladenden Geste. „Sonst noch etwas, wertester Käpt’n?“
„Nein“, antwortete Jack lachend. „Danke, Kumpel.“
Charlie zog Jack die Mütze ins Gesicht und ging zu den anderen Männern aus dem 94. Geschwader.
Jack richtete sein Käppi. „De Groot ist ein guter Kerl.“
„Hast du schon gesagt.“ Walt spürte einen Stich im Herzen. Frank fehlte ihm sehr. Jemand, den er Kumpel nennen konnte.
„Deine Freunde von zu Hause lassen schön grüßen“, sagte Jack. „Betty Anellos Bauch wird immer größer. George ist stolz wie Oskar.“
„Kann ich mir vorstellen. Kaum zu glauben, dass er Vater wird. Wie geht es denn Helen Carlisle? Ich mache mir manchmal Gedanken um sie.“
„Die habe ich nicht gesehen. Mom sagte, sie habe praktisch den Frauenkreis, das Rote Kreuz und das Jugendrotkreuz in Riverview übernommen. Schätze mal, weil sie sich so von Jims Tod ablenken kann.“
„Wenigstens haben wir die Japaner von Guadalcanal vertrieben. Das ist ein kleiner Trost.“ Walt schlug die Beine übereinander und legte einen Fuß auf sein Knie. „Und wie geht’s Ray? Ist er wirklich Fluglehrer für die B-17 geworden? Kaum zu glauben.“
„Das wird ihm guttun. Die Versetzung von San Antonio nach Fort Worth war ein guter Tapetenwechsel für ihn. Na ja, er hatte das auch bitter nötig.“
„Wieso das denn?“
Jack kramte in seiner Innentasche. „Hier. Für dich. Lies den da zuerst – er ist von Ray.“ Jack tippte mit ernstem Gesicht auf den obersten Umschlag.
Walt öffnete ihn. Bei Ray lief doch alles so gut? Er war auf amerikanischem Boden stationiert und mit einer tollen Frau verlobt, die er im September heiraten würde.
Lieber Walt,
dass Du bald wieder nach Hause kommst, hört sich gut an. Ich führe jetzt eine Strichliste mit Deinen Einsätzen.
Danke, dass Du alles versuchst, um bei unserer Hochzeit dabei zu sein. Nur leider wird es keine Hochzeit geben. Vor zwei Wochen hat mir Dolores den Ring zurückgegeben. Nach vier Jahren hat sie gemerkt, dass sie mich gar nicht liebt.
Das tut sehr weh, aber ich versuche es gelassen zu sehen. Wenigstens habe ich ihren wahren Charakter entdeckt, bevor wir geheiratet haben.
Walt sah Jack ungläubig an. Das war das zweite Mal, dass eine Frau die Verlobung mit Ray gelöst hatte. Zuerst seine große Liebe vom College und jetzt Dolores. „Ich fasse es nicht.“
„Überleg doch mal. Wie oft hat Ray ihr einen Antrag gemacht, bevor sie ‚Ja‘ gesagt hat? Wie oft hat sie es vor sich hergeschoben, ein Datum zu finden? Und in Texas habe ich sie dabei erwischt, wie sie anderen Männern schöne Augen gemacht hat.“ Jacks Mundwinkel zeigten nach unten.
„Ist nicht dein Ernst. Wieso? Eine bessere Partie als Ray gibt es nicht.“
„Bin ganz deiner Meinung. Aber Dolores wohl nicht. Ach, ich
Weitere Kostenlose Bücher