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Der Klang Deiner Gedanken

Der Klang Deiner Gedanken

Titel: Der Klang Deiner Gedanken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Sundin
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den Blick auf die Instrumente und die Formation gerichtet, die nötigen Korrekturen wegen der Schäden nahm er mit den Fingerspitzen vor. Walt hatte schon fliegen können, bevor er hinters Lenkrad gedurft hatte. Es ging ganz automatisch.
    Er ließ sich vom Flakfeuer durchrütteln, zuckte nicht zusammen, als die Kampfflieger wieder angriffen, hielt Flossie in der Formation, überquerte den Ärmelkanal, meisterte die komplizierte Landung, füllte die Formulare aus und meldete die Schäden. Mechanisch beantwortete er die Fragen während der Nachbesprechung, lauschte der Absturzbeschreibung der My Eileen , blieb ruhig und gefasst.
    Und jetzt? Zurück zum Quartier, und dann? Er spürte, wie ihn die Männer auf der Rückfahrt im LKW beobachteten. Louis hielt die Tür der Wellblechbaracke auf und sah erst Walt und dann Abe und Cracker sorgenvoll an.
    Walt blieb am Eingang der Baracke stehen. Ein halbes Dutzend fremder Soldaten standen um Franks Pritsche und um die der drei Einsatzoffiziere herum, die gerade erst als Ersatz in Franks Crew gekommen waren. Die Männer warfen sich irgendwelche Dinge zu.
    „Was ist hier los?“, fragte Walt.
    Einer der Männer zuckte mit den Achseln. Er war stämmig und hatte eine der Bodencrews-Mütze auf, bei der die Ohren nach oben geklappt waren. „Wir räumen nur auf. Der Kerl ist gefallen.“
    Sie räumten nicht auf – sie plünderten. „Die Sachen gehören euch nicht.“
    „Wir schaffen das Zeug bloß weg.“
    Abe stellte sich neben Walt. „Ihr schafft es beiseite, wolltest du sagen.“
    Der stämmige Soldat schnaubte. „Die brauchen den Krempel ja doch nicht mehr.“ Dabei hob er einen Bilderrahmen aus Messing hoch – Eileen, die drei kleinen Jungs und das Baby.
    Etwas in Walt schnappte über. Er stürmte auf den Soldaten zu, riss ihm das Bild aus der Hand und donnerte ihm die Faust ins Gesicht. „Raus!“
    Der Dieb schrie auf und hielt sich den Mund.
    „Raus!“ Walt holte erneut aus, genau in die fleischige Magenkuhle. Das tat gut.
    Der Soldat krümmte sich und spuckte Blut.
    „Hör auf, Mann! Wir gehen ja schon. Wir gehen ja“, sagte ein anderer.
    Walt holte zu einem Kinnhaken aus, aber jemand hielt seinen Arm fest.
    Abe. „Preach! Das reicht. Sie gehen. Und wenn nicht, kommen sie vors Kriegsgericht.“
    Der Dieb stolperte zur Tür. „Der hat doch ein Rad ab. Einen Dachschaden hat der.“
    „Kilpatrick war sein bester Freund, du ...“ Cracker warf ihm alle Schimpfwörter an den Kopf, die sein beträchtliches Vokabular hergab.
    Walt keuchte und wand sich frei. Seine rechte Hand schmerzte – Zahnabdrücke. Er blutete. Die linke Hand hielt verkrampft den Bilderrahmen fest. Eileen, so hübsch wie immer, mit Sommersprossen. Frank Junior, ganz die Mama. Sean und Michael, dem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Und Kathleen Mary Rose, das kleine Würmchen.
    Lieber Gott im Himmel, warum?
    „Hier, ich habe eine leere Schachtel“, sagte Abe. „Hat noch jemand eine übrig?“
    „Ja, ich habe ein paar“, antwortete Cracker.
    Louis legte Walt den Arm um die Schulter. „Mach dir keine Sorgen. Wir packen alles für seine Frau zusammen. Genauso für die anderen.“
    Walt nickte mit steifem Hals und starrte auf Eileen und die Kinder. Was würde aus ihnen werden?
    Er merkte, dass sein Mund offen stand und langsam trocken wurde.
    „Komm, setz dich.“ Louis führte ihn zu seiner Pritsche. „Halt, nicht auf deine Post.“
    Walt setzte sich. Post? Ja, ein Brief und ein Päckchen.
    „Du kriegst wohl jetzt schon deine Weihnachtsgeschenke.“
    Weihnachten? Ach ja, in fünf Tagen. Oh nein, Franks Familie. Wann würde sie das Telegramm bekommen?
    „Weißt du was?“ Louis’ Zähne waren so weiß wie Schnee. Er wand das Bild aus Walts Griff und gab es Abe. „Ein Geschenk ist jetzt genau das Richtige für dich.“
    Ein Geschenk? Walts Blick wanderte zum Paket. Wie sollte er jetzt ein Geschenk auspacken?
    „Na komm. Wenn du es nicht aufmachst, mach ich’s. Es ist von deiner Freundin. Sie schickt dir neue Leckereien.“ Louis stellte Walt das Paket auf den Schoß.
    Seine Hände fühlten sich dick und schwer an, aber er öffnete den Karton. Er musste. Sobald er stillsaß, rotierten seine Gedanken. Er packte das Seidenpapier auf und hielt eine braune Ledermappe in der Hand – sportlich und maskulin.
    „Ist was drin?“, fragte Louis.
    Walt klappte die Mappe auf. Noten – ein ganzer Stapel. Lauter neue Hits: „When the Lights Go on Again“, „Serenade in Blue“, „Praise the

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