Der Klang Deiner Gedanken
sie den Smaragd erfühlte.
Im Salon stand Baxter auf und küsste Allie kurz auf die Wange. Konnte von ihm nicht ein einziges Mal ein Kompliment kommen? Konnten seine Augen nicht einmal aufleuchten? Oder er ihr mit einer kleinen Geste seine Wertschätzung zeigen? Josies gemeine Unterstellung kam wieder hoch, doch Allie verbannte sie mit aller Macht aus ihrem Bewusstsein.
Sie kniete sich vor den Weihnachtsbaum. Der Nadelduft rief zu gleichen Teilen Erinnerungen an Weihnachten und an die Sommerurlaube am Lake Arrowhead wach. Handbemalte Glashänger glitzerten im Schein der kleinen Lichterketten und Allie fiel die hübsche Porzellanpuppe ein, die sie mit fünf bekommen hatte, das übergroße Puppenhaus mit acht, ihre ersten Diamanten mit sechzehn. Die Millers hatten stets ein beschauliches kleines Weihnachtsfest zu dritt gefeiert, bis Baxter dazugekommen war.
Baxter. Allie ließ den Blick über die Geschenke schweifen und entdeckte eine kleine quadratische Schachtel. Für Mary, von Stanley. Sie seufzte erleichtert auf.
Vater und Baxter setzten sich neben dem Kamin in identische Ledersessel. Allie reichte zuerst ihnen, dann ihrer Mutter auf ihrem Lieblingssofa Geschenke. Sie selbst kehrte wieder auf ihren Stammplatz am Boden neben dem Weihnachtsbaum zurück.
Bald darauf hatte sie einen ganzen Stapel von Büchern und Schallplatten vor sich. Baxter bewunderte die modische Brieftasche, die Allie für ihn gekauft hatte. In diesem Laden war ihr auch die braune Ledermappe aufgefallen. Sie hatte sich nicht nur genauso angefühlt wie Walts Fliegerjacke, sie hatte auch genauso gerochen und hatte denselben Farbton. Ihre sportliche Aufmachung passte zu einem Piloten. Vielleicht war das Geschenk ein bisschen zu groß, aber sie hatte der Gelegenheit nicht widerstehen können, für einen guten Freund selbst verdientes Geld auszugeben.
Nur noch ein Geschenk war übrig. Eine Pappschachtel von Walt, auf der „Erst zu Weihnachten öffnen“ stand. Allie zog das Paketband über eine Ecke, öffnete den Karton und nahm zerknülltes Zeitungspapier heraus.
Darunter war ein Konzertflügel, kaum größer als ihre Hand. Er war schwarz angemalt und hatte elegante Beine. Auf der Unterseite steckte ein kleiner Messingschlüssel. Als Allie daran drehte, ertönte Beethovens „Für Elise“. Neben dem Schlüssel stand in winzigen weißen Buchstaben „Für Allie. W.J.N. ’42“.
Die Buchstaben verschwammen und Allie musste blinzeln, um wieder sehen zu können. Das war das schönste Geschenk ihres Lebens – kunstvoll, handgemacht, persönlich, und mit einer Prise Humor.
„Wie hübsch“, sagte Mutter.
„Nicht wahr?“ Allie strich mit der Hand über die winzigen Tasten und erwartete jeden Moment, dass Walt ihr aus Spaß auf die Finger drückte. „Walt hat das selbst gemacht.“
„Der junge Mann schickt aber schöne Geschenke“, sagte Vater mit scharfem Unterton.
Allie sah erschrocken auf. Er dachte doch nicht etwa, dass Walt sich Hoffnungen machte? „Er ... er schickt an alle seine Freunde so schöne Sachen.“ Wieso machte sie das traurig? Sie konnte schließlich nicht erwarten, als Einzige in den Genuss seiner Geschenke zu kommen.
„Apropos Geschenke.“ Baxter legte seine Zigarette in den Aschenbecher auf dem Marmortisch. „Ich hoffe, du hast nicht gedacht, ich hätte dich vergessen.“
Die kleine Spieluhr wurde langsamer und absolvierte die letzten Töne schleppend. „Oh. Nein, natürlich nicht.“ Richtig, sie hatte noch nichts von ihm ausgepackt.
„Ich dachte mir, ich warte noch. Das Beste zum Schluss.“
Das Beste? Bitte nicht. Die Melodie brach kurz vorm Schlusston ab, unvollendet, unbefriedigend.
Allie klammerte sich an den kleinen Flügel auf ihrem Schoß, aber sie musste ihn beiseitestellen, um Baxters Schachtel entgegenzunehmen. Oh bitte, Herr. Lass es noch einmal Ohrringe sein. Ohrclips, richtige Ohrringe, ganz egal.
Baxters stolzes Lächeln ließ jedoch keinen Zweifel am Inhalt der Schachtel. Die einzige Überraschung war die Opulenz der Fassung – fast schon protzig.
„Nur das Beste für meine zukünftige Frau.“
Allies Atem kam in heftigen Stößen. Vor ihren Augen tanzten in den vielen kleinen Diamanten die Lichter. Ihre Ohren waren taub für die Freudenrufe ihrer Eltern.
Ein Joch. Ein fremdes Joch. Mit einem Ungläubigen.
„Sieh nur, Stanley“, sagte Mutter mit gerührter Stimme. „Sie ist sprachlos.“
Zum ersten Mal sah Allie in den Augen ihrer Mutter die Anerkennung, nach der sie sich immer
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