Der Klang Deiner Gedanken
warten, bis du dich umgezogen hast.“
Nein, konnten sie nicht – nicht heute.
Nachdem Allie ihr Haar in ein großes Handtuch gewickelt hatte, setzte sie sich im Schneidersitz auf ihre gesteppte Seidentagesdecke und studierte die Briefumschläge. Das musste schön alles der Reihe nach gehen, streng nach Datum. Also kamen Walts Briefe zuerst dran. Sie öffnete den ersten vom 13. November und bewunderte einmal mehr Walts klare Handschrift.
Liebe Allie,
mach ja einen ordentlichen Knicks, wenn du das hier liest, denn die Hand, die diesen Satz schreibt, hat gerade dem König von [zensiert] die Hand geschüttelt. Ist das zu glauben? Ein Pastorensohn aus einer Kleinstadt plaudert mit den Royals. Der Krieg ist doch zu was gut. Er hat Fort Flossie „bombig“ genannt. Hoffen wir, dass er es nicht wortwörtlich meinte.
Wenn die Post kommt, heißt es entweder hungern oder ein Festessen veranstalten. Und heute war es definitiv ein Festessen. Zwei Briefe von dir und dann noch das Apfelmus! Allie, du bist einfach die Beste. Die Jungs waren sich einig, dass das Apfelmus alle Rekorde bricht. Baxter ist ein echtes Glückskind. Wobei, ich würde ja eher sagen, Gott meint es gut mit ihm. Übrigens, Frank sagt, du könnest ihm ruhig auch schreiben, wenn du willst. Er liebt Cookies.
Wir haben inzwischen vier Bomben auf Flossies Bug gemalt, für jeden Einsatz eine. Ich muss sagen, es fühlt sich gut an, was wir hier tun, obwohl die Einsätze oft hart sind.
Außer an das leckere Apfelmus muss ich andauernd an eine Stelle aus deinem letzten Brief denken. Du hast geschrieben, dass du aufgewacht seist und das Bedürfnis habest, für mich zu beten. Allie, das war genau während unseres ersten Einsatzes. Wenn es bei dir mitten in der Nacht war, passt das zu unserer Zeitzone hier in [zensiert]. Tu mir einen Gefallen, ja? Wenn du wieder dieses Bedürfnis verspürst, dann bete.
Allie starrte auf den Brief, berührt von Walts guter Laune, erstaunt über seinen Kommentar zu Baxter und verblüfft darüber, dass ihr Traum genau auf Walts Einsatz fiel.
Was war mit den anderen Träumen? Sie ging zu ihrem Schreibtisch und holte unter dem Flugzeugmodell einen kleinen Zettel hervor. Neun Einträge – zehn nach dem heutigen. Jetzt war sie froh, dass sie Walt davon geschrieben hatte.
Sie las den zweiten Brief vom achtzehnten und den dritten vom dreiundzwanzigsten November.
Liebe Allie,
wir sind heute wieder geflogen. Bist du nachts wach geworden? Ich habe deinen Brief vom 9. bekommen. Du schreibst, du seiest drei Nächte in Folge aufgewacht – und ich war jedes Mal im Einsatz. Wenn wir nicht Christen wären, würde ich das für Zufälle halten. Aber es gibt keinen Zufall, nur Gott. Ich zweifle kein bisschen daran, dass dich der Heilige Geist auf die Knie treibt. Und ich fühle mich geehrt. Es beten einige Leute generell für mich, aber es bedeutet mir sehr viel, dass du gerade dann die Hände faltest, wenn ich im dichtesten Luftkampf stecke.
Könntest du auch für Frank beten? Es geht ihm nicht gut. [zensiert] Das hat ihn natürlich mitgenommen.
Allie konnte sich kaum auf den Rest des Briefes konzentrieren. Ihre Träume, ihr plötzliches Aufwachen, das Bedürfnis zu beten – all das kam von Gott. Wie ein Glissando überrollte sie eine Gänsehaut. „Danke Herr, dass du mich so gebrauchen kannst.“
Als Nächstes las sie den Brief von Louise, die vom fünfundzwanzigsten Fliegeralarm in San Francisco berichtete und von ihrer Suche nach Mitbewohnerinnen. Die gute Louise nahm extra Mädchen auf, damit sie die Miete bezahlen konnte, leistete ihren Beitrag gegen die Wohnungsknappheit und war trotzdem einsam, weil ihr Mann in Nordafrika stationiert war.
Als Letztes kam Bettys Brief dran. Betty schrieb immer so, wie ihr der Schnabel gewachsen war. Egal, ob in Antioch etwas passiert war oder nicht, sechs Seiten waren das Minimum. Aber heute füllte ihr Brief kaum eine Seite. Allie runzelte die Stirn und las:
Liebe Allie,
bitte bete für uns. Ich wünschte, du wärst hier. Du hast mich immer getröstet und noch nie hast du mir so gefehlt wie jetzt. Gestern hat Helen ein Telegramm gekriegt. Jims Zerstörer wurde vor Guadalcanal von einem Torpedo getroffen. Vor einem Monat. Oh, Allie, Jim ist gefallen.
Jim Carlisle? Der gut aussehende, charmante Jim Carlisle, der seine Schwester wegen der Puppe aufgezogen hatte? Der mit seiner Frau Jitterbug getanzt hatte? Der seinen kleinen Sohn abgöttisch geliebt hatte? Wie konnte er tot sein?
Allie hatte Jim
Weitere Kostenlose Bücher