Der Klang Deiner Gedanken
ein Dutzend Männer erschraken.
Earl Butterfield stocherte im Ofen herum, um ihm etwas Hitze zu entlocken. „Preach war grad bei Armstrong.“
Die anderen murmelten verständnisvoll.
„Wie lief’s?“, fragte Louis Fontaine. „Hast du eine Tracht Prügel gekriegt wie Butterfield?“
„Nein, es war okay.“ Walt knöpfte seine Uniformjacke auf und hängte sie an die Ablage, die quer über den Pritschen durch die Hütte ging. „Ich glaube, er wird sogar für ein paar gute Veränderungen sorgten.“
Louis schnaubte. „War ja klar.“
Etwas Weiches traf Walt am Rücken. Eine zusammengeknüllte Socke.
Die Tür ging auf und ein Sergeant brachte einen Schub kalte Luft herein. „Die Post für ... Fontaine ... Granger ... Jansen ... Novak.“
Walt nahm den Brief von seinem Bruder Jack entgegen und setzte sich auf seiner Pritsche so nah wie möglich an den Ofen. Jack war zum 94. Bombergeschwader nach Texas versetzt worden, ganz in die Nähe von Ray. Die beiden konnten sich jetzt gegenseitig besuchen. Walt spürte Heimweh und Neid in sich aufsteigen. Jack hatte er vor über einem Jahr das letzte Mal gesehen, Ray vor neun Monaten. Jacks Geschwader hatte nun die letzte Ausbildungsphase vor sich und dürfte bald nach Übersee verlegt werden. Jack hoffte auf England, damit er Walt treffen konnte. Und so, wie er seinen Bruder kannte, wohl auch die englischen Frauen.
Walt seufzte und faltete den Brief zusammen. Jack würde nicht kommen. Die 12. US-Luftflotte in Nordafrika heimste alle neuen Geschwader ein – genauso wie den sonstigen Nachschub. In der 8. Luftflotte gab es immer noch nur vier B-17-Staffeln, zwei B-24-Staffeln und kaum genug Ersatzcrews, Flugzeuge und Ersatzteile.
„Novak.“ Der Sergeant hielt ein Päckchen hoch.
Obwohl er am andern Ende der Hütte saß, erkannte Walt sofort Allies Handschrift und sein Herz hüpfte wie bei einer holprigen Landung. Als er den kleinen Karton öffnete, lagen darin Ingwerkekse. Kein Wunder, dass er sich verliebt hatte. Wenn sie doch nur nicht immer so süß und nett wäre und so gut kochen und backen könnte.
Ihr Brief war vom 13. Dezember.
Gestern ist es wieder passiert. Es überrascht mich überhaupt nicht mehr, wenn ich am nächsten Tag in der Zeitung von einem Einsatz lese. Meinst du, meine Träume sind ein Verstoß gegen das Kriegsgeheimnis? Du hast geschrieben, du fühlst dich geehrt, dabei bin ich es, die sich geehrt fühlen darf, weil Gott mich für so einen Dienst ausgesucht hat. Wenn dir meine Gebete Kraft oder Frieden geben, dann opfere ich gern noch mehr Schlaf.
Gern bete ich ab jetzt auch für Frank. Der genaue Grund für seinen Ärger ist von der Zensur geschwärzt worden, aber der Herr kennt seine Bedürfnisse. Zumindest kann ich ihm den Wunsch nach Cookies erfüllen.
Walt vergrub das Gesicht in den Händen. Jedes Mal, wenn er dachte, er wäre darüber hinweg, kam etwas Neues und riss die Wunden wieder auf. „Hey, Preach, sag nicht, du hast einen Abschiedsbrief gekriegt.“ Louis begutachtete eine ungeöffnete Flasche von seiner Lieblings-Tabascosoße.
In die Trauer mischten sich Schuldgefühle. Louis, Abe und J.P. waren ihm gute Freunde geworden, und sie hatten ihm alle seine Lüge abgekauft. „Allie hat Cookies geschickt – für Frank.“
Louis zuckte zusammen. „Mist.“
„Hier. Nimm.“ Walt reichte Louis einen Keks und nahm sich selbst einen. Dann stießen sie die beiden zusammen wie zwei Gläser. „Auf Frank.“
„Auf Frank. Einen Teufelskerl.“
In der Hütte herrschte Schweigen. Walt stand auf und verteilte Ingwerkekse. Fühlte sich an wie beim Abendmahl. Vielleicht war das Frevel, aber es passte einfach. Sonst nahm er das Abendmahl, um an das Opfer Christi zu erinnern, und heute gedachten sie eben Franks Opfer.
Der Kloß in Walts Hals wurde immer größer und Tränen begannen in ihm aufzusteigen. Also reckte er das Kinn nach vorn und hielt den Keks hoch. „Auf Frank Kilpatrick – einen treusorgenden Vater und Ehemann, einen verdammt guten Piloten und meinen besten Freund.“
„Auf Kilpatrick“, antworteten die Männer mit heiserer Stimme.
Louis hob seinen Keks. Seine Kiefermuskeln arbeiteten. „Auf John Petrovich, den Meister der Scherze.“
„Auf Petrovich.“
„Auf Bob Robertson“, sagte Earl Butterfield laut und bestimmt. „Einen guten Freund und begnadeten Künstler, der uns alle inspiriert hat.“
„Jawohl!“
„Auf Robertson.“
So ging die Runde weiter, und einer nach dem anderen erinnerten sich die
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