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Der Klang Deiner Gedanken

Der Klang Deiner Gedanken

Titel: Der Klang Deiner Gedanken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Sundin
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weiß, du hättest das Kleid auch selbst hingekriegt. Aber ich versuche der armen Agatha einen Auftrag zu geben, wann immer ich kann. Ist es nicht ein Jammer, was aus ihr geworden ist?“
    Allie wartete an der Kreuzung zur Seventh Street. Es waren nur wenige Autos unterwegs. Nicht unbedingt notwendige Fahrten waren verboten, neue Autos gab es seit Januar 1942 nicht mehr, und Reifen sowieso nicht. Vielleicht würde Mutter ja im Mission Inn oder zumindest beim Mittagessen dort vergessen, die Geschichte fertig zu erzählen.
    „Ein echter Jammer. Nachdem ihre Eltern bei der Grippeepidemie gestorben waren, hatte sie eigentlich finanziell ausgesorgt. Wenn sie doch nur nicht auf diesen Betrüger hereingefallen wäre! Wann war das noch? 1925? Oder war es doch ’26? Nein, nein, das muss ’25 gewesen sein.“
    Allie murmelte etwas, um ihrer Mutter über dieses völlig unwichtige Detail hinüberzuhelfen.
    „Nein, es war ’27! Ich kann immer noch nicht verstehen, dass ein schlaues Mädchen wie Agatha Montclair sich von diesem Scharlatan den Floh ins Ohr hat setzen lassen, die Firma ihres Vaters – ihres eigenen Vaters – zu verkaufen und in Aktien zu investieren.“
    Allie konzentrierte sich auf das Wahrzeichen von Riverside, das auf der anderen Straßenseite auf sie wartete. Das Mission Inn nahm einen ganzen Straßenzug ein und war mit seinen gedeckten Gebäuden im Mission-Revival-Stil eine Hommage an die Zeit der spanischen Kolonialherrschaft.
    „Ich habe den Mann ja gleich durchschaut“, sagte Mutter derweil. „Einer von diesen Schuften, die es auf unattraktive Frauen mit Geld abgesehen haben.“
    Unattraktive Frauen mit Geld – wie Allie. Endlich konnten sie die Straße überqueren und die von Ranken überwachsene Promenade auf der Seventh Street entlangschlendern.
    „’29 kam dann der Börsenkrach und sie saß ohne Aktien da, ohne Geld. Bei ihrem Aussehen konnte sie sich keine Hoffnungen machen, einen Mann zu finden. Jedenfalls nicht in ihrem Alter. Zum Glück fand sie wenigstens die Stelle als Näherin und konnte sich irgendwann ihr eigenes Geschäft leisten. Und trotzdem ist das Ganze ein Jammer.“
    Allie seufzte erleichtert. Das war das Ende der Geschichte. Durch einen Bogen der Promenade konnte sie das Rathaus mit seinem eckigen Turm und den Palmen davor sehen.
    „Hätte sie doch nur auf ihre Familie gehört.“
    Allie sah ihre Mutter an. So ging die Geschichte nicht. „Ihre Familie?“
    Mutter steckte eine blonde Locke zurück unter ihren dunkelblauen Hut. „Diesen Teil habe ich dir wohl noch nie erzählt. Er ist ja auch wirklich beschämend. Und ich wollte nicht, dass du schlecht über Miss Montclair denkst, als du noch klein warst.“
    Allie zog die Augenbrauen hoch. „Aber jetzt bin ich groß genug ...“
    „... um nicht alles gleich herumzuerzählen.“ Mutter grüßte eine Dame aus der Nachmittagsteefraktion. „Hätte Agatha doch nur auf ihre Familie gehört und die Verlobung nicht gelöst.“
    „Welche Verlobung?“
    „Als ich sie kennenlernte, war sie mit einem feinen jungen Mann verlobt, Herman Carrington.“
    „Von der Carrington Citrus Company?“
    „Genau der. Es war ein vorzügliches Arrangement – seine Obstplantagen und ihr Abpackbetrieb. Ihre Großeltern hatten die beiden nach dem Tod der Eltern zusammengebracht und Mr Carrington war mit der Verbindung einverstanden, obwohl er ein ziemlich attraktiver Mann war.“
    Also wieder eine Frau mit durchschnittlichem Aussehen in einer arrangierten Ehe. „Und was ist passiert?“
    „Agatha war schon immer ein wenig stur. Sie behauptete beharrlich, er würde sie nicht lieben, und ...“ Mutter lehnte sich zu Allie hinüber und flüsterte: „... und er würde sie früher oder später betrügen. Ist das nicht eine gemeine Unterstellung?“
    Allie schluckte schwer. „Ja. Sehr gemein.“ So gemein wie Josies Unterstellung.
    Mutter schob das Kinn nach vorne und schüttelte den Kopf. „Ich habe ihr gesagt, dass das Unfug sei. Mit ihrem Aussehen konnte sie es sich nicht leisten, wählerisch zu sein. Und sie hätte so viel Verstand aufbringen sollen, auf ihre Familie zu hören.“
    Allies Zunge klebte am Gaumen. „Sicher.“
    „Manchmal hatte ich ja Angst, dass ...“ Mutters Augenlider flatterten. Dann lächelte sie Allie an. „Jedenfalls bin ich froh, dass du Baxter hast und mehr Verstand als Agatha.“
    Allie fiel das Atmen schwer. Schweigend schritten sie durch den begrünten Innenhof des Mission Inn mit seinen leuchtenden

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