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Der Klang Deiner Gedanken

Der Klang Deiner Gedanken

Titel: Der Klang Deiner Gedanken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Sundin
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richteten. „Bring uns gut nach Hause, ja?“
    „Dann wollen wir die Kuh mal fliegen lassen.“
    „Auf geht’s, Floss.“
    Walt lächelte, obwohl ihm sogar der Mund schmerzte. Die Kampfmoral war noch nie höher gewesen, dank Armstrong. Natürlich waren die Crews wegen der strengen Disziplin und der vielen Trainingseinheiten erst einmal bedient, aber inzwischen flogen sie besser, und das war ihnen bewusst.
    „Okay, Männer.“ Cracker klatschte in die Hände. „Deutschland. Heute wollen wir mal dem Führer selbst einheizen. Ruben, hast du die Koordinaten drin?“
    Abe grinste. „Ich ziele direkt auf seinen Schnurrbart.“
    „Den werden wir ihm schön verkohlen.“ Crackers Gesicht strahlte wie früher. „Die letzten Einsätze waren alle ein Spaziergang und heute wird es nicht anders, wenn unser Captain am Steuer sitzt.“
    Captain – daran könnte er sich gewöhnen, genauso wie an die zwei silbernen Streifen auf den Schulterstücken. Das Beste war jedoch das Gefühl, eine Crew zu haben, die wie ein Mann war. Cracker hatte sich die letzten Wochen ins Zeug gelegt wie kein Zweiter. Immer, wenn sie nicht gerade auf einem Einsatz oder Trainingsflug waren, brütete er über dem Handbuch der B-17 oder sammelte Stunden im Link-Trainer, in dem er üben konnte, nur nach Instrumenten zu fliegen. Walt hatte recht behalten: seitdem sie an einem Strang zogen, reihten sich die anderen Crewmitglieder ein.
    „Was gibt’s heute für ’nen Vers, Preach?“ Bill Perkins zog sich die gelbe Schwimmweste über den Kopf.
    Walt griff in die Schienbeintasche seines Fliegeranzugs – darin befanden sich das Fluchtset, ein paar Aspirin und der zusammengefaltete Zettel mit Psalm 91. Er hatte ihn schon öfter gelesen, aber Gottes Schutzverheißungen konnten die Männer nie oft genug hören.
    Er sah zu, wie seine Crew einer nach dem anderen ins Flugzeug kletterte. Hustend lehnte er sich an den Flugzeugrumpf, eine Hand auf den großen Buchstaben, die das Geschwader identifizierten. Gib mir Kraft, Herr. Ich darf die Männer nicht enttäuschen. Wir müssen diesen Einsatz fliegen.
    Es wurde ein langer Einsatz. Der längste, den die 8. Luftflotte je geflogen hatte: dreihundert Meilen Zielentfernung. Wenigstens waren die Deutschen unvorbereitet. Sie feuerten zwar aus allen Flakrohren, zielten aber nicht besonders gut. Gemessen an den Kampffliegern über Frankreich waren diese Jungs harmlos.
    Als das 306. Geschwader Vegesack erreicht hatte, verhinderte eine dichte Wolkendecke das Bombardement, also flogen sie nach Wilhelmshaven. Dort warfen fünfundfünfzig Fliegende Festungen aus fünfundzwanzigtausend Fuß ihre tödliche Ladung durch ein Loch in der Wolkendecke.
    Auf dem Rückflug ließ die Wirkung der Schmerztabletten nach. Walt fing an zu zittern. Er schob zwei Aspirin unter der Sauerstoffmaske hindurch und würgte sie hinunter.
    Es half nicht. Aus dem Zittern wurde regelrechtes Schütteln. Das Husten reichte nun bis ganz tief in seine Lungen hinein und er musste immer wieder die Maske abnehmen, um Mund und Nase von ihrem bräunlichen Schleim zu befreien.
    Zum Glück flog er schon, seit er denken konnte. Und zum Glück konnte er sich mittlerweile auf Cracker verlassen. Zu zweit hielten sie Flossie in der engen, versetzten Flugformation, die das 305. Geschwader entwickelt hatte und die von allen nur die „Faust“ genannt wurde. So konnten sie die Feuerkraft aller Bomber für die Verteidigung bündeln.
    Die englische Küste sah gut aus. Walt konnte fast schon das Kissen unter seinem Kopf und die schwere Bettdecke über seinem fröstelnden Körper spüren. Ohne einen Kratzer landete Flossie . Auch die anderen sechzehn Flugzeuge vom 306. Geschwader hatten nur leichte Schäden davongetragen. Ein Spaziergang also.
    Ein halbes Dutzend Reporter warteten schon auf Fort Flossie . Die Crew jubelte und feierte für die Kameras, und Harry und Mario hoben Walt auf ihre Schultern. Als er von oben herabsah, verschwamm der Boden. Wieder musste er die Augen zukneifen, um nicht ohnmächtig zu werden.
    „Hallo Captain. Wie ist es gelaufen?“
    Walt machte mühsam die Augen auf. Ein Mann im braunen Anzug umkreiste ihn mit einer Filmkamera. Was, wenn das in der Wochenschau kam und Allie ihn sehen konnte? Oder seine Familie? Er musste auf jeden Fall gesund aussehen. Unter Aufbietung aller seiner Kräfte lächelte er siegesgewiss. „Wir haben es Hitler gezeigt. Mit den Vereinigten Staaten legt er sich besser nicht an.“
    Die Männer grölten und jubelten.

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