Der Klang Deiner Gedanken
schon die Fliegenden Festungen mit ihren vier Propellern landen zu sehen und dazu die Männer in ihrer Fliegerausrüstung, die jubelten und sich beglückwünschten, gab ihr Hoffnung.
„Worauf verzichtest du denn, Cressie?“
„Auf nichts.“
„Ich auch nicht.“ Daisy machte mit ihrem Kaugummi eine große Blase.
Allie brachte sie mit einem verschmitzten Lächeln und ihrem Finger zum Platzen. „Vielleicht solltest du auf Kaugummi verzichten.“
Daisy stopfte sich die Reste wieder in den Mund. „Und was soll das bringen?“
Endlich konnte Allie den anderen einmal etwas beibringen. „Wenn wir auf etwas verzichten, das uns lieb und teuer ist, dann solidarisieren wir uns mit Jesus und seinem großen Opfer.“
„Indem ich keinen Kaugummi mehr kaue? Das ist doch Quatsch. Wenn Gott wollte, dass ich auf etwas verzichte, dann doch für immer, und nicht nur für vierzig Tage, oder?“
Allie sah Daisy an und überlegte. „So habe ich das noch nie gesehen. Aber ... Opfer sind für Gott eben etwas Wertvolles. In der Bibel steht, wir sollen uns als ein Opfer hingeben, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist.“
„Miss Allegra“, sagte Cressie und nickte zustimmend. „Immer fleißig am Auswendiglernen. Sehr gut. Sehr gut. Und du hast recht. Wer Gottes Wille tun will, muss oft Opfer bringen.“
Daisy schlug die Hände zusammen und sah gen Himmel. „Bitte nicht den Kaugummi, Herr. Bitte nicht.“
Allie legte lächelnd einen Blechtopf in die Kiste.
„Komisch, oder?“, sagte Daisy. „Auf Luxus zu verzichten. Da fühlt man sich heilig, obwohl es eigentlich gar nichts verändert.“
Cressie zog eine weitere Kiste heran. „Aber wir Menschen sind nun mal so, Liebes. Manchmal suchen wir uns das Opfer aus.“
„Wir suchen uns das Opfer aus?“ Allies Blick fiel auf den Diamantring an ihrer Hand, der so schwer wog.
„Und ob. Wir sind der Meinung, dass wir Gott mit unserem Opfer zufriedenstellen, aber in Wirklichkeit geht es nur um uns selbst.“
„Ooh. Da fallen mir König Saul und die Amalekiter ein.“ Daisy nickte Allie zu. „Habe ich erst letztens den Kindern im Kindergottesdienst erzählt.“
„Wie ging die Geschichte noch gleich?“, fragte Cressie.
Daisy ließ eine Pfanne in die Kiste fallen. „Also, Gott hatte König Saul befohlen, die Amalekiter bis zum letzten Mann zu vernichten, und auch das Vieh. Aber Saul hat die besten Tiere verschont und gesagt, er wolle sie dem Herrn als Opfer darbringen. Und hat damit Gottes Befehl missachtet. Na, Gott war vielleicht sauer – und der Prophet Samuel auch. Also hat Samuel dem König gesagt: ‚Meinst du, dass der Herr Gefallen habe am Brandopfer und Schlachtopfer gleichwie am Gehorsam gegen die Stimme des Herrn? Siehe, Gehorsam ist besser als Opfer‘. Das war der Merkvers für die Kinder. Der ist gut, oder?“, fragte Daisy und ließ den Kaugummi knacken.
„Ja.“ Allie legte die Hände auf den Rand der Kiste. Die Diamanten auf ihrem Ring reflektierten die Sonnenstrahlen und sie wurde von Lichtblitzen geblendet. „Gehorsam ist besser als Opfer“, flüsterte sie.
* * *
War sie wie König Saul?
Allie lief grübelnd die Eighth Street entlang. Die Handtasche hatte sie sich unter die Achsel ihres kastanienbraunen Wollkostüms geklemmt. Ist dieses Opfer wirklich für dich, Herr, damit Baxter zu dir findet? Oder ist es für mich, damit ich von meinen Eltern Anerkennung bekomme?
Oh Herr, du kannst doch unmöglich wollen, dass ich die Verlobung löse. Lächelnd nickte sie einer Dame zu, die im Lebensmittelgeschäft arbeitete. Gleichzeitig lief es ihr kalt den Rücken herunter.
Wenn sie wirklich die Verlobung löste ...
Der Schauer erfasste ihren ganzen Körper. Sie würde die Schande über ihre Eltern bringen, eine unehrliche, respektlose Tochter großgezogen zu haben. Das würde einen riesigen Skandal geben. Die ganze Stadt würde über nichts anderes sprechen. Baxters Ruf wäre dahin. Die gemeine Josie würde recht behalten. Und was wäre mit Vater und Baxter? Sie waren Geschäftspartner, Freunde und fast wie Vater und Sohn. Würde auch ihre Beziehung Schaden nehmen oder gar zerbrechen?
Und dann das ganze Theater, das eine abgesagte Hochzeit mit sich bringen würde. Baxters Haus war auch für Allie geplant und fast fertig. Es hatte sogar einen Musikraum und ein kleines Nähzimmer. Und die Hochzeit erst – die Kirche war gebucht, die Einladungen bestellt und Mutters teures Hochzeitskleid war schon in Stücke geschnitten.
Das Hochzeitskleid
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