Der Klang der Sehnsucht - Roman
waschen. Raus mit dir, keine Widerrede. Und du, Malti, suchst ihm etwas zum Anziehen, wenn du ihm das Wasser hingestellt hast. Seine Sachen sehen genauso heruntergekommen aus wie er selbst.«
Kalu stand langsam auf. Seine Wanderung hatte ihn ermüdet, und er verspürte einen dumpfen Schmerz in seinem Fuß. Außerdem musste er den Vaid finden.
Ganga Ba legte die schmutzige Flöte auf ein Tuch und brachte sie in ihren Mandir, ihren kleinen Haustempel, um sie dort aufzubewahren. Dies schien ihr der geeignete Ort dafür zu sein. Nun da er seine Flöte in Sicherheit wusste, fiel es Kalu leichter, nach draußen zu gehen, um ein Bad zu nehmen.
Es war das erste Mal, dass er sich mit heißem Wasser wusch. Bisher hatte er immer nur im Fluss gebadet. Malti schleppte den Eimer an die Stelle am Wasserhahn und half Kalu, das Tuch zu befestigen, das die Dienerschaft als Sichtschutz benutzte. Die Sonne hatte den Beton erhitzt. Kalu sah zu, wie das Wasser sich über seinen Körper ergoss und auf den Beton floss, bevor die Rinnsale in den Rissen im Boden versickerten. Mit einem alten, gelben Stück Seife schrubbte er sich den Moschusgeruch von der Schlange und sämtliche Schichten der Mattigkeit vom Körper. Es erfüllte ihn mit Behagen, sich mit dem Plastikkännchen zuerst warm und dann kalt zu übergießen. Offenbar löste warmes Wasser den Schmutz leichter als kaltes. Er ging auf dem Betonboden in die Hocke und ließ das Wasser langsam über seinen Körper laufen, bis es klar war.
*
Kurz vor Sonnenuntergang, nahm Kalu die Flöte und eine alte Zahnbürste und machte sich auf den Weg hinunter zum Fluss. Malti folgte ihm schweigend. Sie freute sich, dass Kalu wieder zurück war. Der Pfad, den sie jeden Morgen zum Wäschewaschen hinunterging, war schmal, aber gut ausgetreten. Heute jedoch waren ihre Schritte zaghaft, als sie über den Boden ging, der ihr eigentlich hätte vertraut sein müssen. Alles fühlte sich anders an. Seit Kalu das Haus betreten hatte, war sie sich seiner Bewegungen sehr bewusst gewesen. Während sie arbeitete, waren ihre Augen ihm gefolgt, und sie hatte auf seine Schritte gelauscht. Als sie nun hintereinander den schmalen Weg entlanggingen, fielen ihr die Steine auf, die dort lagen, und die vielen überhängenden Äste, die sich vor Kalu zu verneigen schienen.
Für gewöhnlich dachte Malti auf diesem Weg an die Aufgaben, die sie vor sich hatte, und an die Geschichten, die ihre Freundinnen unten am Waschplatz erzählen würden, während sie die baumwollnen Wäschestücke rieben und auf die Felsen schlugen. Doch heute merkte sie sich jeden Stein, jeden Vogelruf und selbst die Weise, die Kalu vor sich hinpfiff. Nur für den Fall.
Es überraschte Malti, wie beglückt und erleichtert sie über Kalus Rückkehr war. Sie schämte sich ein bisschen, dass sie ihn bei seiner Ankunft umarmt hatte. Malti berührte andere Menschen nur sehr selten. Soweit sie sich erinnern konnte, war die letzte Person, die sie in den Arm genommen und an sich gedrückt hatte, ihre Mutter gewesen. Damals, bevor Malti von zu Hause fortging, um bei Ganga Ba zu arbeiten.
Oft versuchte Malti, sich nachts den Geruch ihrer Mutter ins Gedächtnis zu rufen. Ein warmer, nussiger Duft, nach gerösteten Erdnüssen, der allein ihr gehörte. Sie erinnerte sich an die Wärme ihrer schwieligen Hände, wenn sie ihr im milden, durch die Bäume gefilterten Sonnenschein eine hausgemachte Mischung aus Kokosöl und Gewürzen ins Haar rieb, ihre Kopfhaut massierte und ihre Schultern knetete. Früher als Kind hatte Malti sich auf ihr lockiges Haar setzen können. Ihre Mutter,
deren Haar inzwischen ausgelaugt war wie eine alte Jute-Matte, war stolz auf diesen Vorzug ihrer Tochter. »Achte auf dein Haar, Malti. Vergiss nicht, es nach jedem Waschen einzuölen. Auf diese Weise bleibt es schön.«
Malti liebte es, mit ihrer Mutter zusammen zu sein. Sie sprachen über Dinge, die nur Frauen interessierten. Kleinigkeiten, die den Haushalt betrafen: wie man Koriander am besten vor dem Welken bewahrte, den neuen Verkäufer auf dem Markt, dessen Auberginen billiger und frischer zu sein schienen als die bei anderen. Als Malti größer wurde, erkannte sie, dass sie bald aus dem Haus gehen würde, um bei anderen Leuten zu arbeiten. Sie bat ihre Mutter, ihre Kopfhaut langsamer zu massieren, und behauptete, es täte ihr weh, wenn sie so hastig rieb. In Wirklichkeit wollte sie die Zeit mit ihrer Mutter so ausgiebig wie möglich auskosten.
An dem Tag, an dem Shami Ben, eine
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