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Der Klang der Sehnsucht - Roman

Der Klang der Sehnsucht - Roman

Titel: Der Klang der Sehnsucht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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»Stimmt. Du erschreckst ja schon mit deinem Gesang die Büffel!« Kalu duckte sich, als Malti zu einem Schlag ausholte. Dabei geriet er leicht ins Wanken. »He, pass auf – die Flöte!«
    Erst als er das Gleichgewicht zurückerlangt hatte, fuhr er fort: »Aber wenn du spielen könntest, was würdest du tun?«
    Malti lehnte sich gegen einen Felsen. »Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Vielleicht einfach abwarten und sehen, was passiert.« 
    »Gute Idee, das mache ich. Ich warte einfach mal ab. Außerdem muss ich mit dem Vaid sprechen.«
    Die Flöte war nun fast sauber. Kalu ging ans Wasser und tauchte einen Zipfel seines Hemdes hinein, um damit die restliche Erde abzuwischen. Das Holz war von einem tiefen, satten Braun und hatte einen rötlichen Schimmer, der Malti an Henna erinnerte. Die Flöte besaß ein feuriges Leuchten unter ihrer glatten, ruhigen Oberfläche. Sie glänzte wie mit den besten Ölen poliert, und die Luft umschmeichelte sie wie die zarteste Seide.
    »Sie ist wunderschön. Meine Mutter würde dich bestimmt gern spielen hören.« Maltis Augen glitten von der Flöte zu Kalus zierlichen Fingern mit den rissigen, schwärzlichen Nägeln. Ihr wurde klar, dass niemand ihm sagte, wie er sie sauber halten musste.
    »Fühlst du dich auch manchmal so einsam, Kalu? Ich sehne mich oft nach meiner Mutter.«
    »Nein, eigentlich nicht. Ich habe ja niemanden. Und wieso fühlst du dich denn einsam? Du hast doch uns alle hier. Wir gehören hierher, du und ich. Außerdem kann ich deiner Mutter eines Tages etwas vorspielen, wenn du willst. Würdest du dich dann besser fühlen?«
    »Weißt du, wie weit fort sie ist?« Malti rieb sich den Unterarm. »Egal. Genug von diesem Unsinn. Schön, dass du wieder zurück bist, Kalu. Vor allem, weil Ganga Ba jetzt noch jemanden hat, auf dem sie rumhacken kann! Das wird sie auch gleich tun, wenn wir uns nicht beeilen. Die Sonne geht schon unter. Es ist Zeit fürs Abendessen, und Brahmanji kriegt einen Wutanfall, wenn ich ihm nicht helfe.«
    Die beiden Kinder sprangen auf und rannten auf demselben Weg zurück, den sie gekommen waren, nur dass das Rosenholz der Flöte jetzt glänzte.
    Die Nachtlichter waren schon aufgestellt, als Malti und Kalu am Haus ankamen. Malti lief sofort in die Küche.
    Kalu strich mit dem Zeigefinger über die Flöte, ehe er sie auf das gelbe Tuch im Mandir legte. Die Flöte war glatt, hatte die Farbe von geschmolzenem, dunklem Bernstein und die Dichte von flüssigem Honig. Es erstaunte ihn, dass aus einem Baum mit seiner rauen Rinde und dem trockenen Holz so etwas Schönes werden konnte, wenn man es beizte und polierte. Er machte kehrt und ging wieder hinaus in den dunklen Garten. Es war friedlich dort im Schutz der Sträucher. Er hatte fast vergessen, wie laut es im Ort war. Die Geräusche, die ihm früher tröstlich erschienen waren, ermüdeten ihn nun. Seine Ohren sehnten sich nach Stille oder Musik. Kräftigen, einzelnen Tönen. Ruhigen Klängen. Kalu schloss die Augen, um sich an den stillen Ort in seinem Innern zu versetzen. Die Quelle, der seine Musik entsprang. Aber selbst hier im Garten schien diese Aufgabe zu schwer.
    »Kalu! Kalu! Essen …«
    Beim Klang seines Namens sprang Kalu auf, einen Moment lang hatte er vergessen, dass man ihn wahrscheinlich nicht mehr zur Arbeit rief. Es war Brahmanji, der ihn rief, und Kalu ging in die Küche.
    »Jetzt hältst du dich wohl für eine Berühmtheit?«, fragte Brahmanji stirnrunzelnd, während er Kalu bedeutete, sich zu setzen.
    Kalu war an Brahmanjis unwirsche Bemerkungen gewöhnt. Seit er den alten Koch kannte, hatte er ihn nicht einmal lächeln gesehen. Etwas oder jemand in seinem Reich – der Küche – versetzte Brahmanji immer in Unruhe. Er kochte für das ganze Haus und aß erst, wenn alle fertig waren. Während die Dienerschaft die gleichen, etwas weniger verfeinerten Gerichte wie Ganga Ba bekam, bereitete Brahmanji seine eigenen Mahlzeiten stets in separaten Töpfen mit einem besonderen Kochlöffel zu. Kalu hatte ihn einmal danach gefragt, und der Koch hat
te erklärt, dass er als Brahmane von Geschirr aß, das von Mitgliedern anderer Kasten nicht berührt werden durfte. Kalu fand das ziemlich umständlich und sogar ein wenig dumm.
    »Und wenn jemand dir etwas zu essen schenkt? Ich würde verhungern, wenn ich mich an deine Regeln halten müsste.« Kalu grinste, während Brahmanji noch grimmiger dreinschaute als sonst.
    »Du wirst dieses Problem niemals haben, Kalu. Für Leute, die auf der

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