Der Klang der Sehnsucht - Roman
auch, Papa, bitte, ich auch!‹, rief er. Der König hob ihn hoch und setzte ihn auf sein anderes Knie.
Doch als Suruchi Dhruv auf dem Schoß des Königs sitzen sah, wurde sie fuchsteufelswild. ›Du elender Schmutzfink, was bil
dest du dir ein?‹, schrie sie und stieß Dhruv vom Knie des Königs. ›Runter da, hier ist kein Platz für zwei. Verschwinde, und wage es nie wieder, Seine Majestät zu belästigen.‹
Dhruv sah seinen Vater an, aber der König war zu beschäftigt damit, seine Gemahlin zu versöhnen, und hatte keine Zeit für ihn. Vielleicht hätte er sich anschließend um den Kleinen gekümmert, vielleicht auch nicht. Es wäre sowieso zu spät gewesen. Der arme Dhruv rannte aus dem Garten und barg den Kopf im Schoß seiner Mutter.
Weinend erzählte er ihr, was geschehen war. Suniti drückte ihren Sohn an sich. Sie war wütend und empört, ließ sich aber vor Dhruv nichts anmerken. Endlich hörte Dhruv auf zu weinen. ›Meinst du, Mama, dass Suruchi Ma irgendwann erlaubt, dass ich auf Vaters Knie sitze?‹, fragte er.
›Nein, mein Sohn, das glaube ich nicht‹, sagte die Mutter ruhig und strich Dhruv übers Haar, wie ich es manchmal bei dir mache. ›Wenn du dir etwas sehr wünschst, musst du zu Narayan Bhagwan beten. Er ist viel mächtiger als Suruchi. Mächtiger sogar als der König.‹
›Und wie kann ich ihn finden?‹, fragte Druv.
›Nimm meinen Segen, und geh in den Wald, mein Sohn. Dort bete, und du wirst Narayan Bhagwan begegnen.‹
Mein Vater hat gesagt, wenn man mit dem Segen der Eltern von zu Hause fortgeht, findet man immer jemanden, der einem hilft. Und Dhruv fand Naradji, der ihn lehrte, zu meditieren und zu beten, denn Narayan Bhagwan war natürlich Gott Vishnu. Dhruv betete nicht darum, auf dem Schoß des Königs sitzen zu dürfen, sondern auf dem des Mächtigsten überhaupt. Er betete aus ganzem Herzen.
Schließlich erschien ihm Vishnu. ›Du hast so lange und inbrünstig gebetet, Dhruv, was ist es, das du dir wünschst?‹
Aber als Dhruv den Gott sah, konnte er vor lauter Freude nur lächeln. Im Angesicht der Herrlichkeit Vishnus brachte der Junge kein Wort hervor. In seiner Liebe zu Gott vergaß er alles.
Zum Glück wusste Vishnu, was Dhruv sich wünschte. ›Von nun an darfst du auf meinem Schoß sitzen, Dhruv. Ich bin mächtiger als der König. Und niemand wird dich je vertreiben.‹
So kam Dhruv zu seinem Platz am Himmel. Meine Mutter hat mir noch erklärt, dass Gott überall sei, besonders aber stehe er jenen bei, die beten. Und dass Dhruv in den kleinen, blauen Stern verwandelt worden sei, der sich nie bewegt und nie verjagt werden kann.
Ich glaube, deshalb ist das meine Lieblingsgeschichte. Ich weiß, dass Dhruv immer dort sein wird, selbst wenn wir beide nicht mehr hier sind«, beendete Malti ihre Geschichte.
»Kann ich Dhruv-Tara überall sehen?«
»Ja, überall in Indien, vielleicht sogar überall auf der Welt. Auch in Amerika, glaube ich. Dhruvs Wunsch war klug. So kam er hoch an den Himmel, wo alle ihn sehen, aber nie erreichen können.«
Kalu war anderer Meinung. »Ich würde lieber unter Menschen sein. Außerdem brauche ich keinen Vater, um auf seinem Schoß zu sitzen. Mir genügt die Erde.«
Malti lachte. »Das sieht dir wieder mal ähnlich! Du wirst mir fehlen. Aber wenn ich zu Dhruv-Tara hinaufschaue, werde ich statt an meine Familie an dich und deine Erde denken!«
*
Als die Nachricht von Kalus Abreise sich verbreitete, kam nahezu ganz Hastinapore vorbei, um ihm Glück zu wünschen. Jeder hatte einen guten Rat oder eine Warnung für ihn parat. Selbst Jaya-shri Ben brachte ihm ein paar Betelblätter ans Tor.
Der Abschied machte Kalu bewusst, dass er sich seinen Platz in Hastinapore ganz allein erobert hatte. Niemand hatte ihm etwas zu befehlen. Er war von niemandem abhängig. Sein Freund Bal, der Büffelhirte, war viel schlechter dran.
Bevor er abreiste, ging er zum Fluss, um Bal noch einmal zu sehen. Er wusste ja, dass der Junge seine Büffel dort grasen ließ.
Sein kleiner Freund war so dünn und schmutzig wie die Beine seiner Schutzbefohlenen.
Bal rieb sich das Gesicht. Die unausgesprochene Angst vor der Zukunft bedrückte beide Jungen. Sie wussten, was auch geschehen würde, es würde nie mehr so sein wie früher. Kalu schlang die Arme um Bal. Der kleine Hirte drückte ihn an sich. »Geh, und lerne Flöte spielen, Bhai, aber behalte deine Unabhängigkeit«, flüsterte er Kalu ins Ohr. »Damit es dir nie so ergeht wie mir.«
Wange an Wange
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