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Der Klang der Sehnsucht - Roman

Der Klang der Sehnsucht - Roman

Titel: Der Klang der Sehnsucht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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Sache strebt, verliert man häufig eine andere. Denn alles hat seinen Preis.
    Der jüngere Bruder reiste landauf, landab, um den Menschen zu helfen. Die Zeit verging, der Mann wurde älter, aber er arbeitete und reiste immer weiter. Bis er eines Tages erkannte, dass er keinen Ort besaß, den er sein Zuhause nennen konnte.
    Er wurde traurig, aber ihm war auch bewusst, dass seine Heimatlosigkeit der Preis für seine Entscheidung war. Er hatte die Wahl, seiner Berufung zu folgen, ja selbst getroffen. Außerdem konnte er noch immer seinen Bruder, den Musiker, besuchen. Er liebte seinen Bruder sehr. Es gab niemanden, der so spielen konnte wie er. Seine Kunst hatte ihn um die ganze Welt geführt. Alle schwärmten, was für ein großer Künstler er sei. Und das war er. Ein Pandit. Die Menschen liebten seine Musik. Nach Indien kam er, um dem Beifall zu entkommen und sich auszuruhen. Bis ihm eines Tages der Beifall und die Bewunderung wichtiger wurden als die Menschen, die ihn liebten, und die Musik selbst. Und er vergaß, dass er den Menschen etwas geben musste und nicht nur nehmen durfte. Er hielt nun die Dinge, die ihm einst kostbar gewesen waren, für selbstverständlich.
    An diesem Tag verdorrte seine Kunst. Er konnte nicht mehr spielen. Er verbreitete, dass er die Hotels satt habe und ein eigenes Heim brauche, um dort Zuflucht zu suchen. In Wirklichkeit war dies der einzige Weg für ihn, überhaupt weiterspielen zu können. Fern jeder Ablenkung. Und wie du hatte auch er keine andere Wahl. Er musste spielen. Nur war der Preis, den der Ruhm von ihm gefordert hatte, zu hoch gewesen.
    Mein Bruder lebt noch immer in den Bergen. Menschen aus aller Welt besuchen ihn, aber er selbst verlässt niemals sein Heim.«
    Der Vaid legte die Flöte in Kalus Hand und schloss die Finger des Jungen darum.
    »Sie gehört dir, Kalu. Ich habe nie erwartet, dass du sie mir gibst. Dein Spiel war meine Bezahlung. Ich wollte sehen, was du kannst. Ob du der Herausforderung gewachsen bist. Dein Spiel erinnert mich an das meines Bruders, als wir Kinder waren. Ich wünsche mir noch etwas anderes von dir. Ich möchte, dass du mit mir kommst und bei meinem Bruder lebst. Er könnte dich zu einem der größten Flötenspieler Indiens machen.«
    »Aber Dada, ich bin kein Schüler, ich muss meinen Lebensunterhalt verdienen.«
    Der Vaid lächelte, als Kalu ihn Dada nannte. Er hatte sich nie zuvor als Großvater gesehen. Er verstärkte seinen Griff um Kalus Schulter. »Wenn jemand eine Gabe hat wie du, muss man sich ihrer annehmen. Und du wirst meinem Bruder guttun. Er braucht jemanden wie dich in seinem Leben. Lass mich dir helfen. Euch beiden.«
    »He, Baghwan«, rief Ganga Ba. Sie hatte lange genug geschwiegen. »Was für eine Gelegenheit! Aré, Kalu, du wirst berühmt! Wer hätte das gedacht, als ich dir damals Arbeit gegeben habe. Wann wirst du reisen? Wir müssen alles vorbereiten.«
    »Nein!«, rief Malti unwillkürlich. Alle, einschließlich des sprachlosen Kalu, wandten sich ihr zu.
    »Malti!«, sagte Ganga Ba. »Das ist nicht deine Entscheidung, sondern Kalus. Denk doch nur an die Gelegenheit.«
    »Nein!« Malti richtete ihren Blick auf Ganga Ba. »Wir kennen den Vaid doch gar nicht richtig und seinen Bruder schon gar nicht. Was wenn er irgend so ein Strolch aus den Bergen ist?«
    »Malti!«
    »Aber Ganga Ba, er hat uns Kalu schon einmal weggenommen. Warum macht er ihm solche Hoffnungen? Sie wissen doch, dass er ein Junge von der Straße ist. Welcher Pandit würde ihn bei sich aufnehmen? Und was ist mit dem Geld? Ich weiß nicht, wer dieser Mann ist, dass er sich so etwas herausnimmt. Ich werde es nicht zulassen. Kalu ist mein Freund. Woher weiß ich, dass er nicht in Gefahr gerät? Woher wissen wir, dass nicht al
les nur ein Trick ist? Welchen Preis wird Kalu zahlen, wenn er geht?«
    Kapitel 4
    Von dem Augenblick an, als der Vaid anbot, Kalu zu einem richtigen Lehrer zu bringen, hörte der Junge nicht mehr zu. Er hörte weder den Disput zwischen Malti und Ganga Ba noch wie der Vaid ihnen versprach, sie regelmäßig anzurufen. Jetzt, da sein Fuß geheilt war, konnte er überall arbeiten, aber die Verheißung, seine Tage und Nächte damit zu verbringen, auf der Flöte zu spielen, überstieg Kalus sämtliche Erwartungen. Er hatte das Gefühl, nach Hause zu kommen.
    »Weiß er mehr über Musik als Sie?«, fragte Kalu. »Und was wird es kosten?«
    Es gab nichts, das nichts kostete, da kannte Kalu sich aus. Der Vaid versprach, ihn zu seinem Bruder zu

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