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Der Klang der Sehnsucht - Roman

Der Klang der Sehnsucht - Roman

Titel: Der Klang der Sehnsucht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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ihr noch spielt. Das war ganz schön gerissen von euch, diese Wette.«
    »Ja, und?« Kalu sah geradeaus. Er hatte nicht vergessen, dass der Junge zu Nishal gehalten hatte, als dieser ihn nicht hatte mitspielen lassen.
    »Also, ich habe mir überlegt …« Biddu verhaspelte sich fast vor Eifer. »Ich habe überlegt, ob ihr vielleicht einen Wicket-Keeper braucht. Ich bin ziemlich gut.«
    Der Junge stieß gegen Kalus Flötenkasten, als Kalu sich zu ihm umdrehte. »Warum willst du ausgerechnet bei uns mitmachen? Wir sind nicht gerade eine Spitzenmannschaft. Fast nur Mädchen und kleine Kinder. Ihr habt das Spiel gegen uns schließlich gewonnen.«
    »Ja, schon.« Biddu rieb sich den Kopf. »Aber irgendwie ist es bei euch immer lustiger, auch wenn ihr nicht spielt. Und ihr habt abgestimmt. Ich habe keine Lust mehr, dauernd den Balljungen für Nishal zu spielen. Ein paar von den anderen geht es genauso. Sie wären auch mitgekommen, aber sie haben Angst vor Nishal. Außerdem«, hier grinste Biddu, »sind nicht alle Mädchen so nervig wie meine Schwester.«
    »Also gut.« Kalu ließ sich erweichen. »Aber wir müssen zuerst die anderen fragen, wenn sie nichts dagegen haben, soll es mir recht sein.«
    »Abgemacht!« Biddu schüttelte Kalus Hand mit der Begeisterung eines kleinen Hundes, der zum ersten Mal ein Wollknäuel entdeckt hat. »Hat Lata auch zu bestimmen?« Biddu hakte seinen kleinen Finger spontan in Kalus ein, als sie sich auf den Weg hinunter zu Tulsis Hof machten. Bei der Berührung erstarrte Kalu, bevor er Biddu seine Hand bewusst überließ.
    Kalu grinste. »Sie vor allem!« Sie liefen im Gleichschritt nebeneinander her, und endlich entspannte sich Kalu. Er lachte, und der andere Junge stimmte ein, bis ihre Stimmen nicht mehr zu unterscheiden waren.
    *
    Bal saß im Schatten und sah seinen Büffeln zu, die sich im Wasser abkühlten. Gelächter und Gesang tönten zu ihm herüber. Die Frauen, die jenseits der Biegung des Flusses ihre Wäsche wuschen, sangen. Die Melodie tanzte auf dem Wasser, und Bal konnte sich ausmalen, wie die Frauen in ihrem Rhythmus die Wäschestücke schrubbten.
     
    Nagar nandaji na lal, nagar nandaji na lal
    Ras ramanta mari nathani khovani
     
    Das Lied handelte von einem Dorfmädchen, das seinen Nasenring verloren hatte, als es zu Krishnas Flöte tanzte. Der beschwingte Rhythmus folgte dem Takt, in dem die Mädchen die nasse, schmutzige Wäsche auf die Steine im Fluss schlugen. Eine der Stimmen war besonders kräftig und voll, lebhaft wie die eines Maina-Vogels und ähnlich melodisch. Das schadete jedoch nichts. Ihre offenkundige Freude verschönerte das Lied mehr als die Melodie. Er sang die Verse mit.
     
    Nani nani nathani ne mahi jadela moti
    Mein Nasenring ist klein und mit Perlen besetzt
     
    Nathani apone mara Subhadra na vira
    Bitte, Krishna gib mir meinen Nasenring zurück.
     
    Bal lächelte. Er wusste nicht genau, ob seine Büffel mit den Ohren wedelten, um die Moskitos oder den Gesang zu vertreiben.
    *
    Navratri – neun Nächte – war eines der großen Feste im Herbst, deren Höhepunkt Diwali, das Neujahrsfest, war. In diesen neun Nächten, in denen musiziert und getanzt wurde, fühlte Bal sich lebendiger als sonst im ganzen Jahr.
    Die Bewegungen, die wirbelnden Röcke, der Rhythmus der Dhol und die Flötenklänge, die die Stimmen begleiteten, riefen ein kurzes, warmes Kribbeln in seinen Zehen hervor, das sich bis in seine schwieligen Fingerkuppen ausbreitete.
    Er wusste nicht, ob dies nur an der Musik lag oder am Lachen und der beschwingten und romantischen Atmosphäre, die den Ort durchdrang. Immerhin hatte Krishna so die Hirtenmädchen verführt. Navratri war eines der Feste, an denen auch Bal teilnehmen konnte, denn statt in Häusern und Tempeln feierte man abends in den Feldern.
    Bal schlug mit den Händen leicht den Takt. Navratri war beherrscht vom rhythmischen Klang der Trommel, der in seinem Herzen und in seinem ganzen Körper widerhallte.
    Die Einwohner von Hastinapore versammelten sich an zwei Plätzen. Das Hauptereignis fand auf der Weide in der Nähe des Hauses von Bals Besitzer statt. Es wurde von den Dorfältesten organisiert, insbesondere von ihren Frauen. Lautsprecher wurden aufgestellt, damit man die aus der Stadt engagierten Musiker weithin hören konnte. Bal zog das kleinere Fest in den Feldern vor, das von den Armen und den unteren Kasten besucht wurde. Es fand in einem natürlichen Amphitheater statt, das von einem Felsen und einem sanften Abhang

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