Der Klang der Sehnsucht - Roman
heraufkommen. Sie ging zwischen den Bäumen hindurch, und er hoffte, der Banyanbaum wäre ihr Ziel. Doch sie blieb stehen, leckte sich über die Finger und strich eine ungebärdige Haarsträhne zurück. Sie drehte sich noch zweimal um, bevor sie den Pfad zur Hauptstraße einschlug. Er beobachtete von seinem Platz auf dem Banyan, wie sie mit gesenktem Kopf weiterlief und den Entgegenkommenden auswich, damit sie in der Eile mit niemandem zusammenstieß.
Er lächelte. Malti würde ihn spielen hören und zu ihm heraufkommen, wie sie es immer tat. Die Rosenholzflöte fand den Weg in seine Hand.
Er schloss die Augen und begann zu spielen. Müde von der Reise, ließ er seine Gedanken schweifen. Er dachte an die Frauen, denen er unterwegs begegnet war. Verführerische Lippen, rot geschminkt wie auch die Nägel. Selbstbewusste Blicke, doch
ohne die Klarheit, die er aus Maltis Augen kannte. Er dachte an ihr spontanes Lachen, den Schwung ihrer Hüften und ihre Neckereien.
Eine stille Sehnsucht schlich sich in sein Spiel. Nach Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit. Verlangen. Ein Hunger, der nur von einem anderen Menschen befriedigt werden konnte. Kalu fuhr fort zu spielen, bis sein Spiel in einem Flüstern verklang. Er saß ganz still, hoffte sich zu fangen, bevor er sich bewegte. Er schaute nach unten und stellte fest, dass der Mensch, auf den er wartete, der einzige Mensch, der seine Ankunft sofort hätte bemerken müssen, nicht da war.
Es war das erste Mal, dass Malti nicht gekommen war, als er spielte. Das ärgerte und beunruhigte ihn. Er beschloss, nach dem Abendessen zu ihr zu gehen. Obwohl er Maltis Mann bisher kaum kannte, wusste er, dass er ihren Schwiegereltern willkommen war.
*
»Kalu!« Malti wollte aufspringen, als die Flöte ertönte. Leise und von Ferne, doch ihr Klang war unverwechselbar.
»Bleib.« Anands Finger schlossen sich um ihren Arm und zogen sie hinunter in die Furche zwischen die Tabakpflanzen.
Sie kniete neben ihm, durch die schützenden Blätter tanzten Licht und Schatten auf ihrem Gesicht. »Ich habe Kalu so lange nicht gesehen. Seit seiner letzten Reise. Ganga Ba ist erst gestern zurückgekommen, deshalb habe ich ihn nicht erwartet …«
»Aré! Kalu, Kalu, Kalu – ist alles, was ich höre. Schenk mir ein paar Minuten, Madhu, meine Süße – du kannst doch noch den ganzen Abend mit deinem kostbaren Kalu verbringen.«
Malti sah den Zorn und die Sehnsucht in seinen Augen, und ihr wurde klar, dass sie es war, die diesen Ausdruck hervorrief. Sie strich die Falten zwischen seinen Brauen mit ihren Fingerspitzen glatt. Es war das erste Mal, dass sie Anand von sich aus be
rührte, anstatt zu warten, bis er sie berührte. Sie war sich seiner Hand auf ihrem Arm sehr deutlich bewusst. Die Melodie änderte sich, umschloss sie, bis sie sich mit dem Geräusch ihres Atems verband. Malti schloss die Lider und ließ sich in die Ackerfurche sinken. Sie spürte die Glut der Sonne auf ihrer Schulter, machte aber keine Anstalten, sie in den Schatten zu bewegen.
Malti spürte eher, als dass sie hörte, wie Anand sich neben sie legte. Er duftete sehr modern nach einer Mischung aus Pomade und Aftershave. Sein Atem liebkoste ihr Gesicht. Sobald sie die Augen aufschlug, würden sie den seinen begegnen, das wusste Malti.
Anands Hand bewegte sich zum Klang der Flöte, seine Finger beschrieben kleine Kreise auf ihrer Haut. Unterhalb ihrer Sari-Bluse, oberhalb des Rocks, während seine andere Hand auf ihrer Taille ruhte. Seine Finger waren heißer als die Sonne.
Diese Berührungen schienen ihm zu seinem Glück zu genügen. Wie anders war es mit ihrem Mann. Er stieß sie auf die Seite, so dass sie ihn nicht ansehen konnte, schob ihren Sari bis über die Taille hoch und drang in sie ein. Sobald sie den geringsten Laut von sich gab, legte er ihr die Hand über den Mund. Mitunter zwängte er auch eine Hand unter ihre Bluse und presste ihre Brust. Sie erkannte es an seinem Körpergeruch, wenn er zum Höhepunkt kam, ein säuerlicher, vergorener Geruch nach Joghurt, und an dem Schweiß, der sich an seinem Haaransatz sammelte und in einem salzigen Sprühregen auf sie niederfiel. Er zog sich ebenso plötzlich und stumm zurück, wie er begonnen hatte, wandte sich ab und überließ es Malti, ihren Sari herunterzuziehen.
Der Klang der Flöte und Anands Atem hüllten sie ein. Sie hielt die Augen geschlossen. Die Hitze und die Musik lösten jede Anspannung in ihr. Schließlich existierten nur noch Anands Berührungen und die
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