Der Klang des Herzens
mal: »Ich liebe dich.«
Eine kleine Pause. »Ich liebe dich auch«, antwortete sie.
Laura schaltete das Handy aus und holte ein paar Mal tief Luft, um sich wieder ein wenig zu beruhigen, bevor sie reinging. Ihre Wangen waren ganz heiß. Sie konnte kaum glauben, dass Matt gar nicht merkte, was mit ihr los war, was ihr ins Gesicht geschrieben stand, was sie mit jedem Schritt zu verraten schien. Sie hatte es bei ihm immer gemerkt.
Sie konnte Nicholas’ Hände noch spüren. Die Liebesworte hören, die er ihr ins Ohr geflüstert hatte. Sie konnten ihren Kummer zwar nicht beseitigen, aber sie dämpften ihn, machten Matts Abrissarbeiten an ihrem Selbstwertgefühl erträglicher. Dieser Mann liebte sie. Dieser nette, kultivierte Mann liebte sie. Und sie hatte nicht nur wenige Stunden nach ihrem Treffen mit ihm geschlafen, sie hatte ebenfalls gesagt, dass sie ihn liebte. Laura McCarthy war fast vierzig, ein langweiliger
Stützpfeiler der Dorfgemeinschaft, mit einem Wäscheschrank, in dem geradezu militärische Präzision herrschte, und die immer genug im Gefrierschrank hatte, dass es für zwölf Überraschungsgäste gereicht hätte. Was geschah nur mit ihr?
Matt war in seinem Arbeitszimmer.
»Ich geh einkaufen. Musst du heute nicht arbeiten?«, erkundigte sie sich höflich.
Sie hatte aufgehört, ihm Tee zu bringen, denn er ließ ihn sowieso kalt werden. Laura fand dann hinterher die unberührte Tasse mit dem kalten, geronnenen Tee in einem Regal oder auf dem Schreibtisch. »Ich dachte, du hättest im Großen Haus zu tun.«
»Muss auf Baumaterial warten.«
»Könntest du nicht stattdessen bei den Dawsons weitermachen?«
»Die haben abgesagt.«
»Wieso das? Sie waren doch ganz zufrieden mit deinem Angebot.«
»Weiß nicht. Sie haben einfach abgesagt.«
»Matt, hat das was damit zu tun, was im Pub passiert ist?«
Er fuhr fort, in seinen Papieren zu wühlen, ohne vom Schreibtisch aufzuschauen.
»Anthony hat ein bisschen was erzählt, aber ich dachte, du würdest mir selbst sagen, was passiert ist.« Ihr Ton war bewusst neutral. Sie wollte keinen Streit mit ihm anfangen. Dass die Nachbarn sie nicht mehr ansehen wollten, oder dass Mrs Linnet im Vorbeigehen auf dem Supermarktparkplatz böse gemurmelt hatte, dass Matt sich schämen solle, erwähnte sie nicht.
»Alles bloß Klatsch«, erklärte er wegwerfend.
»Asad ist im Krankenhaus, Matt.«
»Ist bloß Asthma. Der wird schon wieder.«
»Es ist nie ›bloß Asthma‹, Matt. Er ist nicht mehr der Jüngste. Du hättest ihn umbringen können. Was ist denn passiert?«
Er stand auf, drängte sich rüde an ihr vorbei, riss Schubladen auf, zog Akten heraus, stopfte sie wieder hinein. »Er ist mir auf die Nerven gegangen, okay? Wir hatten Streit. Er hat einen Asthmaanfall gekriegt. Nichts Besonderes.«
»Nichts Besonderes? Und warum beschäftigen wir Byron nicht mehr? Du hast mich doch erst vor ein paar Wochen gebeten, die Versicherungspapiere und alles andere für ihn fertig zu machen.«
Er schien nach etwas zu suchen. Erst jetzt bemerkte sie, dass die Rechnungen total durcheinander waren. Alle Papiere, die sich auf seine diversen Aufträge bezogen, waren ein einziges Chaos. Der Schreibtisch war ein Chaos. Dabei war Matt sonst absolut pingelig, was seinen Bürokram betraf. Er wollte immer ganz genau wissen, wo er stand, bis zum letzten Penny. In so einem Zustand hatte sie sein Büro noch nie gesehen. Aber es ist mir egal, redete sie sich streng ein. Das ist nicht mehr mein Problem; darum muss sich bald jemand anders kümmern. Auf mich wartet ein Mann, der wenigstens weiß, was er an mir hat.
Wär’s dir lieber, sie würden dort zusammenleben?
»Matt?« Dieser distanzierte, feindselige Mann war ihr Ehemann. Wie hatte es bloß dazu kommen können? So schnell, so umfassend, so unausweichlich? Weißt du denn nicht, wo das alles hinführt?, hätte sie ihn am liebsten gefragt. Ein anderer Mann hat mir gerade gesagt, dass er mich liebt. Ein Mann, der meinem nackten Körper gehuldigt hat, stundenlang, in einem Londoner Hotel. Ein Mann, der gesagt hat, seine Vorstellung vom Paradies sei, den Rest seines Lebens mit mir zu verbringen. Nur mit mir. Neben mir aufzuwachen, an jedem Morgen seines Lebens. Ein Mann, für den ich alles bedeute, sagt er. Alles .
Aber das war Matt egal. Er liebte Isabel Delancey. Laura zwang sich, sich nichts von ihren Gefühlen anmerken zu lassen. »Matt? Ich muss wissen, wo er ist, um ihn abzumelden.«
»Ich will nicht über Byron reden«,
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