Der Klang des Herzens
wenig wie möglich zu sagen. Der Mann war ein Pokerspieler. Er nahm einen ernster, wenn er glaubte, man habe noch ein Ass im Ärmel. »Nur ein Dummkopf deckt all seine Karten auf«, pflegte er zu sagen. Während er wartete, schaute Nicholas aus dem Fenster, von dem man einen herrlichen Blick über den Hyde Park hatte. Auch heute war ein warmer, sonniger Tag. Zahlreiche Geschäftsleute hatten früher Mittagspause gemacht und saßen mit aufgekrempelten Hemdsärmeln oder übers Knie hochgeschürzten Röcken im Gras. Um den Park herum kroch wie eine misslaunige Raupe der Verkehr, stop and go. Aber Nicholas hörte fast nichts, kein Gehupe, kein Motorenlärm. In diesem Büro mit den Paneelen an den Wänden und den dicken Schallschutzfenstern war man vollkommen isoliert vom Lärm und Dreck der Großstadt. Geld konnte einen vor fast allem schützen.
»Sie möchten eine Entschädigung? Wie viel?«
Nicholas schmunzelte. »Fünf Prozent dürften reichen.«
»Sie glauben, Sie können noch mehr solche Schnäppchen auftun?«
Nicholas richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Mann hinter dem Schreibtisch. »Andreas, Sie wissen so gut wie ich, dass solche Häuser nicht vom Himmel fallen. Vor allem nicht in London. Aber ich werde Augen und Ohren offen halten.«
Er hatte die Immobilien »umgesetzt« – den Marktwert heruntergestuft, um sie rasch verkaufen zu können, und im Gegenzug eine Einmalzahlung sowohl vom Verkäufer als auch vom Käufer erhalten, als unsichtbarer Mittelsmann sozusagen. Das war streng genommen zwar nicht legal, aber
gerade der Immobilienmarkt bot eine breite Grauzone. Der Verkäufer, der Sohn des verstorbenen Besitzers, war ganz froh gewesen, nicht einen Makler einschalten und eine Courtage zahlen zu müssen.
»Und Sie – Sie haben gut daran verdient?«
»Peanuts, um ehrlich zu sein.«
Andreas war ein gutaussehender Mann. Sein Haar war trotz seiner sechzig Jahre noch dicht und schwarz; dazu der makellose Anzug und die täuschend lässige Haltung – das alles erinnerte an einen Filmstar aus den Fünfzigern. An seinen Manschetten glitzerten winzige Diamanten. Alles an ihm und an seinem Büro verriet großes Geld und keine Scheu, dies auch zu zeigen.
Er griff nach dem Hörer und sprach mit seiner Sekretärin. »Shoula, bringen Sie uns doch bitte einen kleinen Imbiss. Und eine Erfrischung.« Er sah Nicholas mit hochgezogenen Brauen an. »Sie haben doch Zeit?«
Nicholas zuckte mit den Schultern, als würde Zeit überhaupt keine Rolle spielen.
Andreas legte auf und zündete sich eine Zigarette an. »Also, was ist für Sie drin? Das ist schon die zweite Immobilie, die Sie unter Marktpreis für mich aufgetan haben. Sie sind kein Dummkopf, Nicholas. Sie sind doch selbst Unternehmer. Warum also mir einen Gefallen tun?«
Nicholas hatte gehofft, dass diese Frage nach den Drinks aufkommen würde. Er holte tief Luft und gab sich alle Mühe, so gleichgültig wie möglich zu erscheinen.
»Nun ja … Ich hatte gehofft, Sie würden mir vielleicht bei einem eigenen kleinen Projekt helfen. Ein altes Haus, auf einem herrlichen Baugrundstück«, gestand er vorsichtig. »Etwas ganz Besonderes. Ich möchte Planung und Bebauung selbst übernehmen. Aber mir fehlt die finanzielle Rückendeckung.«
»Warum haben Sie diese zwei Immobilien nicht selbst
übernommen?« Andreas wies mit der Hand auf die Papiere, die vor ihm lagen. »Sie hätten eine sechsstellige Summe erzielen können, selbst wenn Sie sie gleich weiterverkauft hätten. Ein guter Baufachmann, ein paar Monate mehr, und es wäre das Doppelte gewesen.«
»Ich wollte mich nicht binden. Das geplante Projekt erfordert viel Aufmerksamkeit. Und ich muss schnell handeln.«
»Aber Sie möchten nicht, dass ich bei diesem ›besonderen‹ Projekt mit Ihnen zusammenarbeite? In Partnerschaft?«
Nicholas legte beide Hände auf den Schreibtisch. »Ich möchte ein Darlehen. Ich kann Sie mit einem gewissen Prozentsatz am Gewinn beteiligen, wenn es das für Sie interessanter macht. Aber dieses Projekt ist was Persönliches, Andreas.«
»Etwas Persönliches?«
»Da ist diese Frau …«
»Ha! Da ist immer eine Frau.«
Die beiden Männer unterbrachen ihr Gespräch, denn in diesem Moment erschien die Sekretärin mit einem Tablett, auf dem zahlreiche Tellerchen standen. Griechische Vorspeisen: Pitabrot, Hummus, Zaziki, Oliven und Halloumi. Sie schenkte den Männern Wein ein, legte Papierservietten hin und verließ den Raum.
»Bitte sehr.« Andreas wies mit einer ausholenden
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