Der Klang des Herzens
sagte er, während er eine Akte durchblätterte. Er schaute nicht einmal auf.
Sie blieb noch einen Moment stehen, dann wandte sie sich ab und ging nach unten.
Ein weiterer heißer Tag wich allmählich der Abendkühle. Über die Lichtung am See zogen neue Laute: Geigenspiel, nachdem das Essensgeschirr klappernd weggeräumt worden war, das aufgeregte Bellen eines Welpen, der begeistert einem Ball nachjagte, das ferne Geplauder eines Teenagers mit einem Gesprächspartner am Handy. All das drang aus den offenen Fenstern eines müden, alten Anwesens nach draußen, dazwischen das gelegentliche scharfe Summen einer Mücke, gefolgt von einem entschlossenen Klatschgeräusch.
Byron saß auf seinem Klappstuhl im Heizungskeller und schaute ins Leere. Diese Laute waren ihm vertraut geworden in den zwei Monaten, die er jetzt schon hier hauste. Was für Geräusche er wohl in Zukunft hören würde? Höchst unwillkommene: das unaufhörliche Brausen des Verkehrs, der Fernseher aus der Nachbarwohnung, dessen ständiges Geplärr durch die papierdünnen Wände drang, das endlose Läuten, Piepen und Dudeln zahlloser sich gegenseitig übertönender Handys. Der Lärm von zu vielen Menschen auf zu engem Raum.
Anfangs hatte er sich zutiefst geschämt, hier unterkriechen zu müssen. Jetzt jedoch fühlte er sich fast wie zu Hause in diesem schäbigen kleinen Anbau. Er wurde immer noch gelegentlich von der Geräuschkulisse des Gefängnisses heimgesucht: das Rasseln und Zuknallen von Gittertüren, dröhnende Musik aus einem Nachbartrakt, laute Rufe, Streit, hasserfüllte Auseinandersetzungen. Und über allem diese Aura von Angst, von Bedrohung, von Wut und Reue. Verglichen damit war diese spartanische Umgebung hier kein Asyl für Obdachlose, sondern ein Stück Freiheit, ein Stück Zivilisation und Wärme.
Eine andere Art zu leben. Es bedeutete, Thierry, Isabel und Kitty nahe zu sein. Isabels unbekümmertes Lachen zu hören, wenn sie morgens durch den Wald schlenderte oder vollkommen in ihr Geigenspiel versunken war. Die Schatten der Sorge in ihrem Gesicht sehen zu müssen, während man gleichzeitig versuchte, sie nicht zu sehen, Schatten, die immer irgendwo da waren, die nie ganz verschwanden. Wenn seine Lage eine andere, wenn seine Vergangenheit eine andere gewesen wäre, er hätte vielleicht versucht, ihr mehr anzubieten als essbares Unkraut und Feuerholz.
Byron zwang sich aufzustehen. Zu viel Denken führte bloß in die Sackgasse der Verzweiflung. Er ging herum und sammelte seine wenigen Habseligkeiten zusammen. Sein großer, muskulöser Körper bewegte sich in der Düsternis des Kellerraums trittsicher und geschmeidig. Er hörte, wie die Tür aufging und Thierry mit seinem Hündchen hereinschlüpfte. Der Junge hatte eine Schale Erdbeeren und Himbeeren mit dickem Rahm und dazu einen hausgemachten Keks in der Hand.
»Hast wohl deiner Mutter gesagt, dass du das draußen essen willst, was?«
Thierry grinste.
Byron betrachtete ihn, dieses gutmütige, stille Kind, und bekam auf einmal Gewissensbisse. Was er zu sagen hatte, würde dem Jungen nicht gefallen. »Komm«, sagte er und deutete zur Tür, »du kannst doch nicht auf deine Nachspeise verzichten. Wir teilen sie uns.«
Sie hat Glück mit dem Wetter in diesem Sommer, dachte Byron, während er und Thierry hinterher Karten spielten, wobei sie den kleinen Hund ständig davon abhalten mussten, die Karten von der Holzkiste zu stibitzen, die sie als Tisch benutzten. Der Geschmack der Beeren lag ihm noch auf der Zunge. Vielleicht besaß sie ja den berühmten grünen Daumen. So was kam vor.
»Schnippschnapp«, verkündete er. Thierry wollte es noch immer nicht laut sagen; er grunzte dann nur und knallte seine Karten auf den Tisch. Er war seit dem Einzug ein ganzes Stück gewachsen. Seine wächserne Blässe hatte einer gesunden, frischen Farbe, sommersprossigen, roten Wangen und einem flinken Lächeln Platz gemacht. Aber obwohl er seinen Kummer offensichtlich überwunden hatte, wollte er noch immer nicht sprechen. Nicht, wenn er draußen mit seinem Hund rumtobte, nicht, wenn er den Wald durchstreifte.
Byron räusperte sich hüstelnd. Er mischte und gab. Ohne den Jungen dabei anzusehen, sagte er: »Ich muss dir was sagen, Thierry. Ich … ähm… ich muss weiter. Weg von hier.«
Der Kopf des Jungen zuckte hoch.
»Es gibt hier für mich keine Arbeit«, erklärte Byron sanft. »Und ich kann nirgends wohnen. Also muss ich meine Sachen packen und mir woanders was suchen.«
Thierry starrte
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