Der Klang des Herzens
seiner Reichweite. Etwas, das er nicht haben durfte. Mit zugeschnürter Kehle stand er da und sah, wie sie plötzlich die Augen aufschlug, wie diese Augen sich bei seinem Anblick erschrocken weiteten.
Er machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber sie spielte weiter, ohne die geringste Unterbrechung, die Augen jetzt ganz groß auf ihn gerichtet. Ihr Arm schien sich wie von selbst zu bewegen, ihre Geige sich selbst zu spielen und sie unfähig aufzuhören.
»Sie haben keinen Strom mehr«, bemerkte er in einem Moment, in dem die Musik etwas leiser war.
Sie nickte.
Seine Augen hingen wie hypnotisiert an ihr. Langsam trat er näher, angezogen von ihrem Busen, der sich hob und senkte, ihrem schlanken, anmutigen Körper, der sich zitternd bog. Von ihrer Kühle, ihrer Distanziertheit, die in blankem Gegensatz zu dem stand, was er nun in ihren Augen las: Verzweiflung, Sehnsucht, Trauer.
Noch bevor er sie erreichte, ließ sie die Arme sinken und stieß einen leisen Laut aus; es klang fast wie eine Kapitulation.
Er schlang die Arme um ihre Taille und riss sie an sich, bog ihren Oberkörper zurück, drängte sie rückwärts in die Küche hinein. Sie tastete hektisch nach dem Tisch, legte dort ihre Geige ab, und dann waren ihre langen, weißen, kalten Finger plötzlich in seinen Haaren, ihr Mund presste sich offen an den seinen. Er hörte ihr Aufkeuchen, fühlte sie an seiner Haut, fühlte die schockierende Wärme ihrer Schenkel, als er mit beiden Händen unter ihren Rock griff. Wie verlockend sie sich an ihn drängte. Da begann etwas in Matt McCarthy triumphierend zu singen, zu jubilieren, wurde betäubend laut, während er mit seinen Fingerspitzen ihr Pulsieren spürte. Er stieß einen tiefen, gutturalen, fast tierischen Laut aus.
In einer wenig eleganten Bewegung sanken sie zu Boden, er drückte sie mit seinem Gewicht an die Fliesen, sie lag unter ihm, dort, wo er sie haben wollte, wo er sie schon haben wollte, seit er ihr zum ersten Mal begegnet war. Jetzt wusste er auch, was er wollte: sie besitzen, nicht nur dieses Haus, auch diese Frau. Er biss sie in den Hals, zwang sie, sich ihm zu unterwerfen, spürte, wie sich ihre überraschend starken Finger in sein Fleisch gruben. Sein letzter Gedanke, während der Wind heulend ums Haus strich und das Haus ächzte wie ein lebendes Wesen, war eine vage Überraschung darüber, dass ihre Augen fest geschlossen waren, während die seinen weit offen standen, als würde sich ein ganz neues Universum vor ihnen auftun.
Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, vielleicht Stunden, vielleicht auch bloß Minuten. Als er die Augen aufschlug, die kalten Steinfliesen unangenehm unter seinem nackten Rücken spürte und merkte, dass jemand eine Decke über ihn gebreitet und seinen Kopf auf ein paar zusammengeknüllte Kleidungsstücke gelegt hatte, stellte er fest, dass um ihn her die fast undurchdringliche Dunkelheit der frühen Morgenstunden herrschte. Er wusste im ersten Moment nicht, wo er
war, was er hier zu suchen hatte, doch dann sah er sie vollständig angekleidet am Küchentisch sitzen, als ob nichts geschehen wäre. Sie schien ihn anzusehen, ihre Silhouette hob sich schwärzer vor dem schwarzen Hintergrund ab.
Er setzte sich auf, und dabei stieg ihm vage ihr Geruch in die Nase, der seiner Haut anhaftete. Gleichsam wie ein Echo verspürte er sogleich eine heftige Erregung, wurde von einer Bilderflut überschwemmt, sah sie vor sich, wie sie unter ihm lag, wie es sich angefühlt hatte, er in ihr drin, ihr lustvolles Stöhnen. Er streckte die Hand aus. »Komm her«, murmelte er, »damit ich dein Gesicht sehen kann.«
»Es ist fast zwei«, entgegnete sie. »Du musst nach Hause.«
Nach Hause. Gott, wie sollte er das daheim erklären?
Matt stand auf, ließ die Decke zu Boden gleiten. Er zog sich die Jeans hoch und machte den Gürtel zu. Es war kalt in der Küche, doch er spürte es kaum. Er fühlte sich erstaunlich, unglaublich, als hätte er eine Blutauffrischung bekommen, als wäre er ein ganz neuer Mensch. Er trat zu ihr, konnte ihr Gesicht aber noch immer nicht so richtig erkennen. Er strich über ihre Haare, in die er sich zuvor gewühlt hatte.
Jetzt war alles anders. Und er war froh darüber, so seltsam es ihm auch erscheinen mochte. Er hatte nichts dagegen. Er akzeptierte es.
»Danke«, sagte er. Er hätte ihr gerne gesagt, was es ihm bedeutete, wie es ihn veränderte. Doch dann spürte sein Daumen, mit dem er ihr Gesicht streichelte, die Nässe, die ihre Tränen
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