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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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fest an sich zu ziehen und ihr zuzuraunen, dass es vor allem sie war, die sein Leben bereicherte.
    Der angespannt wirkende Andrews gesellte sich wieder zu ihnen.
    „Miss Casey? Würden Sie bitte Mr Martin den Standort des noch nicht reparierten Klaviers zeigen, damit er es morgen findet, wenn die Ersatzteile im Southamptoner Hafen ankommen?“
    „Gern, Mr Andrews.“
    „Ich danke Ihnen. Ich bin sehr froh, dass wir eine so couragierte, freundliche und aufmerksame Stewardess zur Betreuung unserer Erste-Klasse-Passagiere an Bord haben, Miss Casey.“
    „Es ist ein wunderschönes Schiff, Mr Andrews. Ich bin dankbar für die Arbeit an Bord. Die Überfahrt wird mir sicherlich viel Freude machen.“
    „Wir sehen uns bestimmt noch, Mr Martin“, verabschiedete sich Andrews eilig und rannte fast aus dem Raum.
    „Was für ein höflicher, charmanter und hektischer Mensch“, lachte Norah. Sie ergriff Richard erneut an der Hand und zog ihn, wie zuvor, hinter sich her durch die überfüllten Gänge, durch die zahllose Leute kostbares Mobiliar herbeischleppten. Andere verlegten einen Teppich neu, der vielleicht Falten geworfen hatte oder fehlerhaft gewesen war, und in den Kabinen wurden noch die Glühlampen eingedreht und Vorhänge angebracht. Laut gerufene Anweisungen hallten durch die Flure, Arbeiter und Packer, gelegentlich schwer beladen, drückten sich aneinander vorbei, und das Schiff wirkte wie ein Ameisenhaufen, in den übermütige Kinder einen Stock gebohrt hatten.
    Norah führte Richard durch einen weiteren Korridor, in dem sich in Leinwand gehüllte Polstermöbel, Säcke mit Bettwäsche, Matratzen und sogar noch Teppichrollen stapelten.
    Wie soll dieses ganze Chaos in den wenigen Tagen bis zur Jungfernfahrt beseitigt werden? , fragte sich Richard, als er sah, wie ein paar Männer Korbmöbel umlackierten 6 . In diesem Moment empfand er den gigantischen Aufwand, dieses Aufeinanderabstimmen jeder Kleinigkeit und den luxuriösen Pomp als völlig übertrieben. Dieses Schiff, im Grunde ein Postschiff, das Passagiere beförderte, um die Kosten der Überfahrten zu decken, brachte innerhalb einer Woche seine Reisenden von Europa in die Staaten. Eingerichtet war es jedoch, als sei es ein Königspalast, in dem mehrere Generationen ihr Leben verbringen würden.
    Norah führte ihn auf ein tiefer gelegenes Deck und in den Speisesaal der zweiten Klasse. Dieser Raum zog sich über die gesamte Breite der Titanic und bot, wie Norah ihm erklärte, für fast 400 Personen Platz. Die Möbel waren aus Mahagoni und die Stühle mit karminrotem Leder bezogen. Die großen Drehfenster hatten je zwei Flügel und die im Stil des frühen 17. Jahrhunderts gehaltene Wandvertäfelung war in einem warmen Braun gehalten. Eine Lä nge des Raumes nahm ein verziertes Sideboard mit geschnitzten Flächen an den Türen ein, während sich im vorderen Teil des Speisesaals eine Bühne befand. Auch dort waren Handwerker damit beschäftigt, letzte Farbanstriche an den Holzverzierungen anzubringen.
    Das laute Bersten von Holz ließ Richard erschrocken zur Bühne herumwirbeln. Der Lärm stammte jedoch nur von der Transportkiste des Klaviers, die soeben mit Brecheisen und Hammerschlägen geöffnet wurde.
    Eine junge Frau mit dunklen Haaren streckte den Kopf zur Tür herein. „Norah, ich habe dich schon überall gesucht! Mr McElroy möchte noch einmal die Belegungspläne mit uns durchgehen.“
    „Ich komme, Violet“, antwortete Norah und drückte Richard kräftig die Hand, die er nur widerwillig wieder losließ. „Wir treffen uns später bei Großmutter Lora, Richard“, rief sie ihm noch zu, während sie bereits aus dem Raum eilte.
    Richard sah ihr nach und wandte sich, als sie durch die Tür getreten war, zur Bühne um. Prüfend ging er einmal um das Instrument herum und klappte den Tastendeckel auf, um erleichtert festzustellen, dass der neuerliche Transport offensichtlich keine weiteren Schäden verursacht hatte. Nach den anderen Pianos würde er morgen sehen, entschied er, zumal es sich seinem Wissen entzog, wo diese aufgestellt worden waren.
    Mit großen Schritten verließ er den vornehmen Raum des D-Decks und verharrte im Korridor erst einmal hilflos. Unzählige gleich aussehende Türen lagen links und rechts des in Weiß gehaltenen Flurs. Weitere, ebenso homogen anmutende Gänge zweigten ab oder führten zu Treppenhäusern hin. Noch immer herrschte hektisches Treiben im Bauch des Schiffes, und als er mit anhörte, wie ein Steward einen Packer nach dem

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