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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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Weg zum C-Deck fragte, wurde ihm klar, worin dieses Chaos begründet lag: Die Arbeiter, Anlieferer und selbst die Stewards fanden sich ebenso wenig in diesem Labyrinth aus insgesamt 7 Kilometern Gängen, den Treppenhäusern und Zimmern zurecht wie er. Demnach würde es wenig Sinn machen, einen dieser Männer nach dem Weg hinaus zu fragen.
    Richard trottete, leicht benommen von dem Durcheinander um ihn her und dem unangenehmen Gefühl, auf dem Schiff gefangen zu sein, einfach weiter, bis er auf einen jungen Mann traf, der nicht ganz so hektisch wirkte wie die übrigen auf dem Schiff Beschäftigten. Der etwa Sechzehnjährige werkelte an dem verschnörkelten Metallgitter eines Aufzuges herum. Er trug einen Arbeitsanzug der White Star Line und sein Namensschild wies ihn als den Elektriker Alfred Middleton aus.
    „Funktioniert der Aufzug schon?“, sprach Richard ihn in der Hoffnung an, mit dem Aufzug das A-Deck erreichen zu können und von dort einen Ausgang zu finden. Zudem bestand die Möglichkeit, auf den höher gelegenen Decks Norah oder Mr Andrews zu treffen. Sie konnten ihm sicher einen Weg aus diesem riesigen Schiff zeigen.
    „Leider noch nicht, Sir“, erwiderte der Junge höflich.
    „Wo sind wir hier eigentlich?“
    „Sie sind heute schon der Vierzehnte, der mich das fragt, Sir. Sie sind auf dem D-Deck, im Heck. Das ist der Aufzug der zweiten Klasse.“
    „Und wie komme ich nach oben, am besten auf das Achterdeck?“
    „Ich zeige ihnen den Eingang zum Aufstieg“, erklärte sich der Junge bereit.
    Richard folgte ihm bis zu einer unscheinbaren Tür, auf der ein Schild mit der Aufschrift „Personal“ angebracht war. Einen Moment lang verharrte er zögernd, doch da er sich zum Warten der mechanischen Klaviere an Bord befand, konnte er sich wohl im Moment durchaus als Personal bezeichnen. Er bedankte sich bei dem Jungen und machte sich an den Aufstieg in dem engen, weiß gestrichenen Treppenhaus.
    Unzählige Stufen später gelangte er tatsächlich auf das Achterdeck, wo ihn ein lauer Wind begrüßte. Er trug den Geruch von salzigem Wasser, getrocknetem Seetang und auch von frischer Farbe mit sich. Erleichtert, dem Inneren des gewaltigen Kolosses entkommen zu sein, atmete Richard auf. Die Sonne stand bereits tief im Westen und der blaue Himmel verfärbte sich zusehends zu einem milchigen Gelb. Möwen zogen kreischend ihre Bahnen über dem Hafengelände, und die rote Flagge mit dem weißen Stern flatterte am Heckmast, der gemeinsam mit dem Fockmast vorne am Bug des Ozeanriesen ein nostalgisches Überbleibsel aus der Segelschiffära darstellte.
    Richard erstieg über die Metalltreppe das erhöhte Achterdeck, da er dort die für gewöhnlich von der Mannschaft des Schiffes genutzte Landungsbrücke wusste.
    „Hey, Rick!“, hörte er eine bekannte Stimme rufen. Er wandte den Kopf und sah Adam, der bereits vorschriftsmäßig in der dunklen Matrosenuniform gekleidet war, auf ihn zukommen.
    „Dich hätte ich früher gebrauchen können!“, lachte Richard und schlug in die dargebotene Hand ein.
    „Warum?“
    „Dieses Schiff …“ Richard unterbrach sich und trat an die Reling. Weit beugte er sich vor und blickte auf die sanften Wellen hinab, die rhythmisch gegen den schwarzen Rumpf platschten. Ihm wurde schwindelig. Rührte dieses unangenehme Gefühl von den Bewegungen der Wellen her oder lag es vielmehr an der erschreckend großen Entfernung zwischen der Wasseroberfläche und dem Deck, auf dem er stand?
    „Ich hoffe, die Besatzung und die Passagiere bekommen Pläne mit Wegmarkierungen“, sagte er schließlich.
    „Dass du dich in den Fluren nicht zurechtfindest, wundert mich bei deinem Orientierungssinn nicht“, lachte Adam.
    „Nicht nur ich habe da Schwierigkeiten.“
    „Ich weiß. Norah hat nun wirklich einen ausgeprägten Orientierungssinn, aber sie hat mir vorhin gesagt, wie froh sie sei, dass sie sich schon auf der baugleichen Olympic die Wege einprägen konnte. Sie hat auch ein bisschen Zeit benötigt, um sich zurechtzufinden.“
    „Ich bin nur froh, dass ich kein Passagier der Titanic bin. Vermutlich würde ich jede Mahlzeit verpassen, weil ich den Speisesaal nicht pünktlich finden würde.“
    Adam lachte laut auf.
    Richard ließ einen Moment den Gedanken zu, wie schön es wäre, wenn er bei einer Überfahrt auf der Titanic in Norahs Nähe sein könnte. Allerdings war ihm durchaus bewusst, wie hart und lange die Crew an Bord arbeitete, wobei es ihm schon genügen würde, wenn er irgendwo sitzen und

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