Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)
vermeintlichen Topplichter eines Schiffes, nur um festzustellen, dass es sich dabei um andere Rettungsboote handelte. Diese entfernten sich schneller als sie auf ihrem behelfsmäßigen Floß von den im Wasser treibenden Wrackteilen. Dann wieder war es einfach nur ein besonders heller, wie ein Brillant funkelnder Stern, der sie täuschte.
Adam hörte den Heizer neben ihm verzweifelt aufseufzen, und wieder sprach der junge Funker Bride ihnen allen Mut zu und gab grobe Schätzungen ab, wann die Carpathia endlich eintreffen musste.
Weitere Minuten verbrachte Adam damit, seine eigenen Atemwolken und die seines Nebenmannes zu beobachten, dessen Gesicht ihm bläulich verfärbt vorkam, was sicherlich nicht nur an dem fahlen Sternenlicht lag. Schließlich schloss er die Augen.
Über zwei Stunden lang hatte er dabei geholfen, Menschenleben zu retten, die Leute zu beschwichtigen und die richtigen Handgriffe zum richtigen Zeitpunkt zu tun. Nicht eine Sekunde hatte er mit dem Gedanken gespielt, in eines der Rettungsboote zu springen, wie andere es teilweise taten. Aber jetzt, inmitten des schwarzen, endlosen Ozeans, dessen Wellen bedächtig glucksend gegen das schlingernde Boot schlugen, umgeben von einem funkelnden, sternenübersäten Himmelszelt, mit Eiszapfen im Bart und in den Haaren, bis ins Mark frierend und noch immer nass, erfüllte ihn nur ein Wunsch: Er wollte überleben.
Kapitel 40
Chloe hatte den blutverschmierten Mantel gegen eine Jacke eingetauscht und zog diese fester um sich, bevor sie in die im Dunkeln liegende Gasse lief. Auf dem Weg zu ihrem Haus, wo sie Ella und die Kinder zu ihrem Schutz vor Ryan untergebracht hatte, war sie bei Catherine, Mia, Eve und der Familie O’Dea vorbeigekommen und hatte ihnen von ihrem Plan berichtet.
Auf Chloes Gesicht legte sich ein schiefes Lächeln, als sie mit eiligen Schritten in die Gasse einbog, in der Ellas Haus lag, das sie zum Treffpunkt für alle freiwilligen Helferinnen erkoren hatten. Sie konnte sich nicht daran erinnern, schon jemals so viel und so schnell gelaufen zu sein wie in dieser Nacht. Doch die Erinnerung an ihre Flucht ließ ein unangenehmes Kribbeln in ihrem Nacken aufsteigen. Unwillkürlich drehte sie den Kopf und sah sich um. Niemand beobachtete oder verfolgte sie. Anscheinend war sie schnell genug vom Tatort verschwunden, ehe jemand ihr folgen konnte. Und wiedererkennen würde der Mann, der sie dort angesprochen hatte, sie sicher auch nicht. Bestimmt war es zu dunkel gewesen, als dass er ihr Gesicht hatte sehen können!?
„Chloe!“
Sie wirbelte herum und sah im sanften Sternenlicht eine schlanke weibliche Gestalt aus dem Nebel auftauchen.
„Eve?“, fragte sie unsicher, und gleich darauf erkannte sie tatsächlich Dylans Verlobte. Ihr folgten drei weitere junge Frauen. Zwei von ihnen kannte sie: Emma und Ava waren Nachbarinnen von Eves Familie. Die andere war ihr unbekannt, doch Eve stellte sie ihr als Rebecca vor, eine weitere Nachbarin. Chloe begrüßte die vier neu gewonnenen Mitstreiterinnen mit einer überschwänglichen Umarmung. Nun hasteten sie zu fünft weiter bis zu Ellas Haus. Im Inneren des Hauses hatte jemand eine Kerze entzündet, und als Chloe die Tür öffnete, verschlug es ihr für einen Augenblick die Sprache. Der Raum quoll förmlich über vor Bekannten und Freundinnen, aber auch vor Frauen, die sie nur vom Sehen kannte oder die ihr sogar völlig fremd waren.
„Chloe ist da“, rief Mia laut, und augenblicklich verstummten die aufgeregten Gespräche. Weiter hinten im Raum stellten sich ein paar der Anwesenden auf die Zehenspitzen, damit sie Chloe mustern konnten.
Die wusste noch immer nicht, was sie sagen sollte. Mit einer so großen Resonanz auf ihren Aufruf, der von ihren Freundinnen weitergetragen worden war, hatte sie nicht gerechnet. Immerhin war es mitten in der Nacht! Tiefe Freude und damit verbunden auch die große Hoffnung, Norah tatsächlich helfen zu können, breitete sich in ihr aus.
„Dass ihr alle gekommen seid …“, begann sie ergriffen und wurde von einer der älteren Frauen lachend unterbrochen: „Konnte eh nicht schlafen. Der Mann schnarcht!“
Gelächter erfüllte den kleinen Raum, und Chloe winkte wie ein Dirigent ab.
„Mia sagte, es geht um Sternchen“, rief eine andere. „Erst vor Kurzem hat sie mir Medikamente für meine Mutter besorgt. Die musste ich gewaltsam zurückhalten, weil sie auch helfen wollte.“
Wieder lachten die Frauen.
„Gut, seid bitte mal leise“, verschaffte Chloe sich
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