Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)
geschäftsmäßig wie zuvor, sondern sehr besorgt.
„Mit mir ist alles in Ordnung, Danny.“
„Davon erzählst du mir später mehr“, meinte er nach kurzem Schweigen. Er fragte nicht nach, welche Rolle sie bei diesem Geschehen gespielt hatte. Ganz offensichtlich traute er ihr nichts Böses zu. Oder wollte er einfach zuerst die Angelegenheit mit Norah über die Bühne bringen, ehe er sich einer anderen, interessant erscheinenden Geschichte zuwandte?
Chloe verdrängte alle beunruhigenden Überlegungen und bog in die nächstgelegene Gasse ein. Im Schein der ersten funktionierenden Laterne folgte ihr die Gruppe aus über 20 zu allem entschlossenen Frauen hinüber in die besser ausgeleuchteten Straßenzüge.
Die Straße unweit des Lagan war hell erleuchtet, jedoch menschenleer. Auch hier zogen feuchte Nebelschwaden zwischen den Häusern hindurch.
Schweigend marschierten die Frauen auf das graue Backsteinhaus zu und ihre festen Schritte hallten zwischen den Hausfronten wider. Ein streunender Hund zog die Rute ein und rannte davon, während ein paar Möwen nur die Köpfe drehten und sich nicht stören ließen.
Gerade als sie die Hausfront erreichten, wurde die Tür geöffnet, und ein breitschultriger Mann in feinstem Tuch taumelte betrunken heraus. Chloe zuckte zusammen, als neben ihr das grelle Magnesium-Blitzlicht des Fotoapparates die Dunkelheit zerriss. Danny hatte sein erstes Opfer gefunden, das mit Sicherheit nicht dabei fotografiert werden wollte, wie es aus diesem anrüchigen Etablissement kam. Der Mann blinzelte verwirrt, war aber zu betrunken, um eine weiter reichende Reaktion zu zeigen.
„Danke, Sir. Hauseingang mit Beschriftung und gleich den ersten Besserbetuchten erwischt!“, freute sich Danny und montierte geschäftig an seinem Apparat herum.
Da Chloes Aufregung und Angst bei jedem Meter, den sie sich dem Haus weiter näherten, stärker geworden war, verwirrte sie die gelassene Begeisterung des Journalisten.
„Wir können los, Chloe!“, sagte er dann und schob sie mit einer Hand in Richtung Eingangstür. Plötzlich fühlte sie sich furchtbar schwach und klein. Was hatte sie da nur angezettelt? Konnte das tatsächlich gut gehen?
„Chloe-Schatz, wir warten!“, rief eine Stimme von hinten, und sie vermutete in der ungeduldigen Ruferin eine der älteren, ausgesprochen energischen Damen.
Catherine drängte sich nach vorn und ergriff ihre Hand. „Ich habe auch Angst, Chloe. Aber wir müssen Norah da endlich rausholen.“
„Du weißt aber, dass das alles sinnlos sein könnte?“
„Nein, Chloe. Norah ist noch da. Sie lebt!“, beteuerte Catherine mit fester Stimme, die keine Zweifel zulassen wollte.
„Haben wir genug gebetet?“
„Auf dem ganzen Fußmarsch hierher.“
„Gut!“
Chloe ließ Catherines Hand nicht los, als sie mit der anderen die Klinke hinunterdrückte und die schwere Tür aufstieß. Gemeinsam stürmten die Freundinnen, gefolgt von ihrem Pulk kämpferisch gestimmter Frauen, in das Gebäude.
In dem in Weinrot gehaltenen Raum herrschte schummeriges Licht. Trotzdem konnte Chloe sehen, wie zwei Mädchen erschrocken aufsprangen. Ein Mann drehte sich verwundert nach ihnen um. Der Türsteher stellte sich ihnen zunächst entgegen, prallte aber beim Anblick der in das Foyer hineindrängenden Frauen erschrocken zurück. Sie bildeten ein regelrechtes Bollwerk.
„Was ist hier los?“, rief eine hysterische, hohe Stimme vom Tresen her.
Chloe sah, wie zwei Frauen die grell geschminkte Dame mit dem Rücken an die Wand drängten, und eine von ihnen lachte laut: „Hier kommt das Aufräumkommando!“
Der einzige Gast im Foyer wich ebenfalls bis zur tapetengeschmückten Wand zurück und strebte dann seitwärts in Richtung Ausgang. Die dort postierten Frauen machten ihm bereitwillig Platz und ließen den Mann entkommen.
Der Türsteher wurde von Mia und ihren Freundinnen in Schach gehalten, während Chloe, Catherine, Eve und Danny zu den beiden verstört dreinblickenden jungen Mädchen traten.
„Eine Freundin von uns ist heute Abend hierhergekommen und hat Ryan Cowen einen Besuch abgestattet. Sie ist nicht wieder zurückgekehrt. Wo ist sie?“, fragte Catherine die beiden.
Chloe, die sich darauf gefasst gemacht hatte, genauer erklären zu müssen, was sie hier wollten, schüttelte ungläubig den Kopf, als beide Frauen zeitgleich zur Treppe zeigten.
„Ihr bleibt hier und rührt euch nicht vom Fleck!“, befahl die zarte Eve den beiden jungen Frauen.
In dem Augenblick, als Chloe
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