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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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mit Rotwein in funkelnden Kristallgläsern herum.
    Je unbeschwerter Norah sich mit den anderen weiblichen Gästen und der Gastgeberin unterhielt, desto tiefer gruben sich die Falten auf Richards Stirn ein. Vermutlich wurde draußen bei den Männern über die Weltgeschicke, über Politik und die neuesten Vorhaben der Firma Welte diskutiert, und er musste sich hier Details über Stoffe, die aktuelle Hutmode und über irgendwelche Schoßhündchen der Herrschaften anhören.
    „Betty sagte, Sie arbeiten auf Atlantikdampfschiffen. Das stelle ich mir sehr aufregend vor. Aber ist es nicht auch ein sehr unstetes Leben? Erzählen Sie uns ein bisschen von Ihrer Tätigkeit?“, wandte sich die schlanke junge Frau erneut an Norah.
    Die Irin setzte sich aufrechter hin. Wurde sie unruhig, weil die anderen Damen durchschauten, dass sie nicht aus derselben Gesellschaftsschicht stammte wie sie, sondern für ihren Lebensunterhalt arbeiten musste? Oder ging sie der Überlegung nach, ob sie dem kleinen Theaterspiel nicht besser ein Ende bereiten sollte, damit sie ohne umständliche Übersetzung von sich und ihrem Leben erzählen konnte?
    Schließlich wandte sie sich Richard zu, und ihre dunklen Augen funkelten fröhlich auf. Sie tat die gravierenden Standesunterschiede einfach mit einem Lächeln und einem Schulterzucken ab. Richard hatte damit deutlich mehr Schwierigkeiten, zumal er in der Zwischenzeit herausgehört hatte, wessen Töchter sich da in der Bibliothek versammelten. Sie gehörten zu einer gehobenen Industriellenschicht, und ihre Väter besaßen Macht und Geld. Zudem war eine Verwandte des Oberbaurats Hermann Billing anwesend. Dieser Mann hatte unter anderem das Sanatorium und die staatliche Kunsthalle in Baden-Baden geplant und gebaut und gerade war er dabei, das Kollegiengebäude der Universität Freiburg zu vollenden.
    Das sehr dünne Fräulein Luise, wohl die jüngste der anwesenden Damen, erwies sich als eine entfernte Verwandte von Prinzessin Victoria – einer Tochter des Großherzogs Friedrich I. von Baden, die im Jahr 1881 König Gustav V. von Schweden geheiratet hatte. Die Damen verbrachten mit ihren Müttern und den Geschwistern den milden, sonnigen Frühsommer hier im Breisgau, während in anderen Teilen Deutschlands noch eine unangenehme Nässe und Kälte vorherrschte.
    Richard riss sich aus seinen Überlegungen. Mit derselben Energie und Geschwindigkeit, mit der sie am Nachmittag das Werk und Stühlinger besichtigt hatte, berichtete Norah jetzt von ihrer Arbeit auf den Transatlantikdampfern, die zwischen Europa und New York unterwegs waren. Inzwischen benötigten die Liner nur noch rund zehn Tage für die Überfahrt. Norahs Sprechgeschwindigkeit, nicht minder schnell als die neuesten Schiffe, und der starke gälische Akzent machten Richards Dolmetscherdienste tatsächlich nötig, selbst wenn einige der Damen mit Sicherheit der englischen Sprache mächtig waren. Richard kam kaum mit dem Übersetzen nach.
    Die Beschreibung von Norahs Arbeit als Stewardess fiel ausgesprochen lebendig und fröhlich aus. Sie erweckte den Eindruck, es gebe für sie nichts Schöneres und Aufregenderes, als Menschen zu bedienen und ihnen jeden Wunsch von den Augen abzulesen.
    Die Anwesenden hörten fasziniert zu, bis erneut das aufgeweckte Fräulein Luise eine Zwischenfrage stellte. Daraufhin berichtete Norah in ihrer heiteren Art weiter von den Schiffen, auf denen sie gearbeitet hatte, von den Adeligen, die sie bedient hatte und von so manchen Stürmen und Widrigkeiten an Bord. Allerdings gewannen die Zuhörerinnen dabei nicht den Eindruck, als habe die geballte Kraft der Wellen und des Windes ihr jemals etwas anhaben können.
    „Planen Sie eine weitere Reise dieser Art?“, erkundigte sich schließlich das etwas reservierte Fräulein Billing.
    „Ja, natürlich“, lachte Norah und ahnte vermutlich nicht einmal, wie wenig „natürlich“ das für die anwesenden jungen Damen aus gutem Hause war. „Ich werde in etwa drei Monaten, am 20. September, mit der Olympic von Southampton aus fahren.“
    Für kurze Zeit herrschte Schweigen. Dann rückte Fräulein Billing näher zu ihr. „Auf der Olympic , dem White Star- Schiff?“
    Norah bejahte, noch ehe Richard übersetzen konnte.
    „Dieses wunderbare, große und extravagante Schiff, das modernste und größte überhaupt?“, hakte eine weitere Dame nach und rutschte ebenfalls auf ihrem Sessel ein Stück weiter nach vorn an die Kante.
    „Ja, es wird ihre fünfte Fahrt sein, und wieder

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