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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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beschleunigte er seine Schritte, hielt aber inne, als die Frau plötzlich rückwärtstaumelte. Sie schien sich vor etwas oder jemandem furchtbar erschreckt zu haben, und er sah keine Veranlassung, sich in irgendwelche Streitereien verwickeln zu lassen. Die Frau wirbelte herum und rannte in seine Richtung, gefolgt von einem Bär von einem Mann, der aus dem Haus getreten war.
    In diesem Moment erkannte Richard in der Flüchtenden Norah.
    Das Mädchen hatte ihn mittlerweile ebenfalls erkannt und bedeutete ihm mit einer aufgeregt wirkenden Handbewegung, er solle sich umdrehen und ebenfalls fliehen. Richard zögerte und besah sich ihren Verfolger. Er würde sich ihm in den Weg stellen! Keine Frau, und schon gar nicht Norah, sollte vor einem Mann so viel Angst haben müssen.
    Norah hatte ihn inzwischen erreicht, ergriff seine Hand und zog ihn unsanft hinter sich her. Um sie nicht aufzuhalten, wurde auch er schneller und bog gemeinsam mit ihr in die Straße ein, aus der er soeben erst gekommen war.
    „Was-?“, fragte er abgehackt.
    Doch Norah keuchte nur und schob ihn zwischen ein paar aufgestapelten Brettern hindurch in eine schmalere Gasse. Von dort gelangten sie, noch immer rennend, auf eine weitere Straße. Richard wandte den Kopf. Wie einen schwarzen Schattenriss konnte er Norahs Verfolger in der engen Gasse ausmachen.
    „Komm“, schnaufte Norah und zerrte ihn erneut mit sich. Gemeinsam liefen sie an den dunklen Häuserfronten entlang und passierten zu Richards Verwunderung das graue Steingebäude, vor dem Norah Minuten zuvor noch gestanden hatte. Sie kannte sich hier offenbar bestens aus.
    Richards langer Mantel flatterte wegen der kräftigen Windböen und ihrer nicht geringen Laufgeschwindigkeit wild hinter ihm her, und als Norah ihn in eine weitere Straße drängte, blieb er mit diesem an einem schief stehenden Holzzaun hängen. Der Stoff riss mit einem lauten Geräusch ein, doch Richard spurtete einfach weiter. Wenn die sonst immer so gelassene Norah die Flucht vor jemandem ergriff, gab es dafür mit Sicherheit einen guten Grund!
    Das Mädchen steuerte ein schmales Eckgebäude an, das von einem quietschend im Wind schaukelnden Schild als Pub ausgewiesen wurde. Hastig griff sie nach dem Knauf und riss die von der Feuchtigkeit verzogene, schwer zu öffnende Tür auf. Sie zog Richard ungestüm hinter sich in das Gebäude. Erst nachdem sie beide den Schankraum betreten hatten, ließ sie seine Hand los. Norah drängte sich an ihm vorbei und schloss die Tür mit einer kräftigen Bewegung. Anschließend schob sie Richard, dem das alles viel zu schnell ging, zwischen den eng nebeneinander aufgestellten Tischen und Stühlen hindurch in Richtung Theke.
    Dicker Tabakrauch und der süßlich-bittere Geruch von Alkohol hingen schwer in der Luft. Im gedämpften Licht einiger stark rußender Lampen an der Decke schimmerte das dunkle Holz von Tischen, Stühlen und einer verschrammten Theke sanft mit dem Glanz der Messingbeschläge an Schubladen, Lampen und Spiegelrahmen um die Wette. Der kleine Pub war mit etwa zwei Dutzend Männern jeglichen Alters bereits ziemlich voll, bot aber dennoch freie Stühle und Barhocker.
    Norah atmete heftig – von der Anstrengung ebenso wie vor Aufregung –, während sie Richard nachdenklich betrachtete. „Gib mir den Mantel“, flüsterte sie auffordernd.
    Richard blickte sie verwirrt an, pellte sich aber folgsam aus dem fremden Kleidungsstück und reichte es ihr.
    Norah schlüpfte hinein, stibitzte sich von einem Tisch einfach einen unbeachtet dort liegenden großen schwarzen Filzhut, den sie sich auf den Kopf stülpte, und drängte Richard zu einem der eng an eng stehenden Barhocker. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich auf dem Hocker niederzulassen, gegen den sie ihn auffordernd drückte. Sie selbst ließ sich, gut verhüllt durch den Mantel, ein paar Plätze weiter an der Theke nieder und senkte den Kopf, um nicht erkannt zu werden. Der Barmann stellte unaufgefordert ein Glas dunkles, schäumendes Guinness vor Richard ab, der dem ungepflegt wirkenden Kerl einen verwunderten Blick zuwarf, gleichzeitig aber wie automatisch nach dem Glaskrug griff und sich daran festhielt. Auch Norah bekam ein Bier vorgesetzt. Zwischen Richard und ihr saßen zwei alte Männer, die genüsslich einen Schluck nach dem anderen aus ihren Krügen nahmen.
    Mit leicht glasigem Blick musterte einer von ihnen Norah und stieß dann seinen Sitznachbarn an. „Der Bursche da hat den gleichen Hut wie du“, meinte

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