Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
nicht einfach aus- und einschalten. Das ist ein Fluch, der einen zwingt, Dinge zu tun, deren man sich nicht für fähig gehalten hätte.«
»Louise, du kennst mich nicht einmal halb so gut, wie du dir einbildest.«
»Nein, das tue ich nicht, Helena. Denn es gibt Dinge, die du verschweigst. Du bist so überzeugt davon, dass du weißt, was du gesehen hast. Es ist schlimmer mit den Dingen, die man nicht gesehen hat. Wo warst du, und was hast du getan? Gibt es außer dir und … Raoul noch jemanden, der das weiß? Was sagt dein Gewissen? Du hast ein Geheimnis, das dich von innen auffrisst. Caroline und Anna kannst du hinters Licht führen, mich nicht. Was nagt in deinem Inneren an dir? Was ist so schwer, dass du es nicht erzählen kannst?«
Helenas Atem strich warm über ihre Wange. »Hier gibt es keine Abstufungen. Raoul wurde umgebracht. Er ist nicht ins Wasser gefallen, und das weißt du verdammt gut. Wie lange willst du dich noch selbst belügen?«
»Drohst du mir?«
»Du weißt, dass ich Bescheid weiß.«
»Du weißt gar nichts. Deine Panik verrät, dass du alles tust, um von dir selbst abzulenken. Was verschweigst du, Helena?«
»W arum redest du um die Sache herum?«
»W ie viele Promille hattest du gestern Abend?«
»Du greifst auch noch nach dem letzten Strohhalm, so unsicher bist du dir. An meinem Gedächtnis ist nichts auszusetzen. Aber es schmerzt mich, Seiten an dir zu entdecken, die ich nicht für möglich gehalten hätte.«
»Und du selbst bist vollkommen unfehlbar und rein wie Schnee? Pfui Teufel, wie verlogen du doch bist.«
»Habe ich dich je betrogen?«
»Dann verlasse ich mich auf deine Loyalität.«
Es klopfte, und ein junger, blonder Polizist trat ein. Helena nickte ihm zu und verließ dann die Küche. Anna kam wieder zu sich, stand auf und bot ihm einen Kaffee an.
»W ir beginnen gleich mit den Befragungen. Kommissarin Schröder kommt jeden Augenblick«, teilte er mit und nahm eine Tasse entgegen. Louise holte tief Luft und nickte ihm gefasst zu.
Es war ein grauer, nebliger Morgen, eine Vorahnung auf den November. Die Kälte drang ihnen durch Mark und Bein, obwohl sie warme Kleider trugen. Die sachte Dünung schlug dumpf in kleinen, unregelmäßigen Wellen auf die Felsen. Ebba und Vendela erklommen den steilen Weg zum Haupthaus. Ihr Atem stand ihnen vor dem Mund.
Als Vendela die schwere Eichentür öffnete, hörte sie gedämpftes Cellospiel. Langsamer Takt und gedehnte Töne, tonal, aber doch in der kühnen Harmonik des frühen 20. Jahrhunderts. Vendela hielt auf der Schwelle inne und lauschte.
»Benjamin Britten«, sagte sie.
»Sieh an! Dass du in klassischer Musik bewandert bist«, sagte Ebba anerkennend.
»Ich habe mit sieben angefangen, Cello zu spielen, aber Brittens Solosuiten habe ich nie richtig in den Griff gekriegt. Ich habe die Noten aber noch irgendwo zu Hause liegen.«
Jakob kam ihnen mit einer Tasse Kaffee in der Hand entgegen.
»W o hast du die her?«, fragte Ebba rasch.
»Aus der Küche. Von Anna«, antwortete Jakob mürrisch.
»Ich habe doch deutlich gesagt, dass du mit niemandem reden sollst.«
Er deutete mit einer Handbewegung an, dass er diesen Aufstand wegen einer Tasse Kaffee unnötig fand. »Immerhin scheint er nicht vergiftet zu sein.«
»W er weiß? So was soll schon vorgekommen sein.« Vendela versuchte ihm einen strengen Blick zuzuwerfen, konnte sich aber ein Lächeln nicht verkneifen.
»Ebba«, sagte Jakob und winkte diese zu sich. »Heute Nacht ist etwas passiert.«
Ebba machte ein paar Schritte auf ihn zu, damit sie ungestört reden konnten. Sie zog Vendela hinter sich her.
»Laut Uffe von der Spurensicherung, der heute Nacht Wache schob, kam diese große, dunkelhaarige junge Frau, Caroline af Melchior, gegen fünf nach unten. Sie war vollkommen aufgelöst. Offenbar rannte sie in die Küche und wühlte zwischen den Messern herum. Er fand sie in der Diele. Sie hielt ein Vorlegemesser in der Hand. Wir wissen nicht, ob sie versuchen wollte, sich die Pulsadern aufzuschneiden, oder was sie vorhatte. Uffe gelang es, ihr das Messer abzunehmen. Als sie in der Diele standen, kam Anna Ljungberg im Nachthemd nach unten. Sie sah aus, als sei sie gerade erwacht. Sie hielt Caroline eine Zeit lang in den Armen. Nach einer Weile beruhigte diese sich wieder. Dann brachte Anna Ljungberg sie wieder hoch ins Bett.«
»Und wieso hat mir das niemand mitgeteilt?«, fragte Ebba mit schneidender Stimme.
»V ermutlich wollte dich Uffe ausschlafen lassen. Es ist nur
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