Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
Mir wäre es natürlich lieber, wenn alle so lange wie möglich hierblieben. Mal sehen, wir haben nicht das Recht, sie beliebig lange festzuhalten, jedenfalls nicht ohne Haftbefehl.«
»W issen sie das?«
»Das brauchen wir ihnen ja noch nicht zu verraten. Aber es ist sicher interessant zu sehen, wer als Erster von hier wegmöchte.«
Ein leichter Nebel erfüllte den Salon, aufgewirbelter Staub der vielen Personen, die einen Sitzplatz gesucht hatten. Die bleiche Herbstsonne ließ die Partikel in der Luft aufschimmern. Ebba stand mit dem Rücken zu dem großen Barockschrank an der Längswand und wartete, bis es relativ still geworden war. Auf dem Sofa saß Anna zwischen Kjell und Jan, rechts davon thronte Louise in einem hohen Lehnstuhl, daneben saß Helena in einem identischen Stuhl. Caroline hatte sich neben ihrer Schwester in einen Sessel sinken lassen. Nichts ließ auf irgendeine Zusammengehörigkeit schließen, alle saßen in ihre eigenen Gedanken versunken. Das weckte Ebbas Interesse. Sie zögerte ihre Rede hinaus, um zu sehen, was passieren würde, wenn sie die Nähe der anderen unter dem Druck der Stille ertragen mussten.
Anna wirkte immer noch sehr abwesend und sackte immer weiter in Jans Richtung. Jan tätschelte ihr väterlich die Wange, aber ohne sie anzusehen. Der unerschütterliche Kjell saß auf der anderen Seite, die Arme verschränkt und die Beine leicht gespreizt, um seinen umfangreichen Körper bequem zu positionieren …
Helena hatte ihr Make-up aufgefrischt, und ihr glänzender Lippenstift passte zu ihrer Jacke aus Kaschmirwolle. Ihre dunkelbraunen Jeans brachten ihre langen Beine zur Geltung. Ihre Schnürschuhe waren ochsenblutfarben und hatten einen stabilen Absatz. Die Ringe um die Augen waren verschwunden, die Haut war natürlich pfirsichweich gepudert. Das Warten schien ihr nichts auszumachen. Sie wirkte ausgeruht und entspannt und am unbekümmertsten von allen. Ganz anders Caroline: Sie hatte ihre Beine auf den Sessel gezogen. Ihr Kopf ruhte auf ihren Knien. Die wilden Locken stoben in alle Richtungen und fielen ihr auch wie ein schützendes Gitter ins Gesicht. Sie hatte sich wie in einen Kokon eingesponnen, und Ebba fühlte sich an Klimts schlummernde Danaë erinnert. Caroline betrachtete eine Haarsträhne, die sie um ihren Finger gewickelt hatte. Ihre Augen waren rot unterlaufen und geschwollen, ihre Lippen rissig. Die taubenblaue Kapuzenjacke war nach oben gerutscht, und ihr Rückgrat sah aus wie ein knochiger Bergrücken. Die abgetragene Jeans, die von einem breiten braunen Ledergürtel mit Nieten gehalten wurde, saß an Hüften und Schenkeln perfekt.
Louise betrachtete Ebba. Sie schien auf einen Hinweis zu warten, was weiter geschehen sollte. Ihr Misstrauen war nicht zu übersehen. Ebba schaute haarscharf an ihr vorbei, ein alter Trick, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Jakob trat ein, und Ebba bedeutete ihm mit einem Nicken, die Tür zu schließen. Sie trat einen Schritt vor.
»Ich möchte mit ein paar Worten über die Lage beginnen. Ich habe bereits mit einigen von Ihnen erste Befragungen hinsichtlich des Todes von Raoul Liebeskind durchgeführt.« Bei den letzten Worten sank Carolines Kopf etwas nach vorne, und sie hielt sich eine Hand vor die Augen. Ein zitterndes Schluchzen war zu hören, aber niemand unternahm etwas, um sie zu trösten.
»W eitere Ermittlungen sind erforderlich. Uns fehlen immer noch die Antworten auf einige Fragen, und es tauchen ständig Informationen auf, die neue Fragen aufwerfen«, fuhr Ebba fort. »Ich verstehe, dass es Ihnen schwerfällt, sich im Augenblick auf eine polizeiliche Ermittlung einzulassen, aber das ist die einzige Möglichkeit, in Erfahrung zu bringen, wie Raoul Liebeskind ums Leben kam. Ich bitte Sie daher alle, Geduld mit unserer Arbeit zu haben. Ich erwarte, dass Sie unsere Fragen gründlich und wahrheitsgemäß beantworten.«
Sie hielt inne, um die Reaktionen abzuwarten. Als diese ausblieben, hielt sie das aufgefundene Handy in die Höhe. Die Innenseite der versiegelten Plastiktüte war beschlagen. Das dünne, bronzefarbene Telefon war jedoch zu erkennen.
»W eiß jemand, wem dieses Handy gehört?«
Sie hielt es allen hin. Erst als sie vor Caroline stand, erfolgte eine wenn auch unerwartete Reaktion. Caroline zuckte zusammen und lachte, während ihr die Tränen noch die Wangen herunterliefen.
»Mein Gott! Das ist ja Raouls!«, rief sie. »Dass Sie das gefunden haben!«
Ebba zog die Brauen hoch. »W ieso?«
»Er hat es doch
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