Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
Fass zum Überlaufen? Dass Sie Ihre Hand verletzten und Ihre Zukunft als Violinistin auf dem Spiel stand? Dass Raoul Caroline verführte? Oder dass er versuchte, mit ihr ein Kind zu zeugen, nachdem Caroline Ihre Familienpläne zerstört hat, ohne Sie auch nur zu fragen? Wann riss Ihnen der Geduldsfaden?«
Aber Louise antwortete nicht. Langsam ging ihre Aggression in eine vibrierende Spannung über. Ihre trotzige Haltung war geblieben, aber ihre Augen begannen zu glänzen und ihr Kinn zitterte. Vendela hatte einen Kloß im Hals und wagte kaum zu atmen. Ebba blieb als Einzige ungerührt. Sie sah Louise kalt an. Louise erwiderte ihren Blick. Sie blinzelte, und Tränen liefen ihr über die Wangen, aber sie hob keine Hand, um sie abzuwischen. Dann hörte ihre Unterlippe auf zu zittern. Sie holte tief Luft und wurde wieder ruhig.
»Ich habe Raoul nicht umgebracht«, sagte Louise und erhob sich. Sie wartete ab, bis Ebba und Vendela es ihr nachtaten. »Jetzt fahre ich mit Peder nach Stockholm zurück. Sie wissen, wo ich wohne. Sie haben meine Telefonnummer. Wenn Sie noch weitere Fragen haben, können Sie sich ja melden. Ich habe Ihnen das erzählt, was für Ihre Arbeit von Bedeutung sein kann. Es gibt nichts hinzuzufügen. Die Trauer hat mich sehr erschöpft.«
Mit diesen Worten drehte sie sich um und verließ das Boot, ohne sich zu verabschieden. Vendela folgte ihr an Deck. Am Steg war bereits das Dröhnen eines großen Motorbootes zu hören. Peder hob Louises Tasche an Bord und half ihr dann auf Deck. Er schien noch etwas sagen zu wollen, bevor sie ablegten. Er winkte Vendela zu sich. Mit ein paar ungelenken Schritten ging sie über den Steg auf das Targa zu.
»W enn Sie wissen wollen, wen Raoul vor seinem Tod traf, können Sie ja Helena fragen, warum sie mit ihm im Atelier rumgeschmust hat.«
Vendela stemmte die Hände in die Seiten. »W ann war das?«
»Ich machte mich mit dem Boot auf den Weg nach Hause. Zwischen sieben und halb acht.«
»Und das sagen Sie jetzt erst? Warum haben Sie das nicht früher erzählt?«
»W enn ich gewusst hätte, dass das hier eine Mordermittlung ist, hätte ich genauer nachgedacht.«
»Sind Sie nicht Jurist? Solche Dinge sollten Ihnen klar sein. Ist das nicht Teil des Studiums?«
»Ich bin Wirtschaftsjurist«, antwortete Peder, wandte ihr den Rücken zu und stieß das Boot vom Steg ab. Als sie etwas weiter draußen waren, gab er Gas.
Ebba hatte sich neben Vendela gestellt. Sie folgten dem Boot mit dem Blick.
»Helena hat sich abends mit Raoul im Atelier getroffen.«
»Ich habe es gehört«, erwiderte Ebba und kniff die Augen zusammen. Schließlich verschwand das Boot zwischen den Inseln. »Aber das sagt eigentlich genauso viel über Peder wie über Helena.«
»Genau. Warum ist es ihm so wichtig, jemand anderem die Schuld zuzuschieben? Die Befragung morgen macht ihn nervös, und er hat die ganze Zeit nachgedacht, während er auf Louise gewartet hat. Jetzt tut er alles, um den Verdacht von sich abzulenken.«
»Es ist schon interessant, dass alle erst reagieren, wenn man von Anwälten und Untersuchungshaft spricht. Das bringt alle auf Trab«, meinte Ebba. »Andererseits sollten wir dem auch nicht zu viel Bedeutung beimessen. Worüber haben sich Raoul und Helena unterhalten, und wie sehr haben sie wirklich rumgeschmust? Sprechen wir über Zungenküsse in der Vertikalen oder Horizontalen? Da ist etwas Unergründliches an Helenas und Raouls heimlicher Beziehung.«
Vendela fröstelte es, und sie kehrte ins Boot zurück. Erschöpft warf sie sich aufs Sofa und legte ihre Füße auf den Tisch. »W as wäre passiert, wenn niemand Raoul Liebeskind getötet hätte?«, begann sie. »Die Beziehungen waren alle kompliziert und verquer. So viele Opfer wurden gebracht, und es gab keine richtigen Gewinner. Paradoxerweise war der Gewinner in gewisser Weise Raoul. Alle Frauen des Quartetts liebten ihn. Problematisch wirkte sich das nur auf ihr Verhältnis untereinander aus. Aber war das Grund genug, ihn umzubringen, um sich der Versuchung zu entziehen?«
Ebba ließ sich neben sie aufs Sofa fallen. »W urde das Verhältnis zu Raoul so intensiv, dass es schließlich unerträglich war? Ich habe ihn ja ein paarmal auf der Bühne gesehen und muss sagen, dass sein Charisma einzigartig war. Die perfekte Kombination von Musikalität, Ausstrahlung und Bühnenpräsenz, die einem den Atem raubt. Eine richtig intensive Aufführung hat fast etwas Sexuelles. Franz Liszt zum Beispiel. Angeblich sah man nach
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