Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
die Verantwortung für die nächste Generation zu tragen. Jedes Mal zu trauern, wenn man eine Tochter bekommt.«
Seine Stimme war leiser geworden, und trotz des offenbar heiklen Themas meinte Ebba zum ersten Mal eine private Seite Peder Armstahls zu entdecken.
»Können Sie verstehen, wie fürchterlich es für meine Ehe war, dass es meiner Frau nie geglückt ist, einen Sohn zur Welt zu bringen? Außer unseren schönen, gesunden und begabten Töchtern hatte Emily eine Fehlgeburt. Sie ist dreiundvierzig. Sie hat nicht mehr die Kraft, es noch einmal zu versuchen. Wie soll ich sie auch noch überreden können? Ich will mich nicht scheiden lassen. Die einzige Rettung war der Versuch, mit einer anderen Frau ein Kind zu bekommen. Im Falle eines Sohnes hätte ich dafür gesorgt, ihn vom Riddarhuset als legitimen Erben anerkennen zu lassen. Caroline ist schließlich ebenfalls adlig, das wäre sicher von Vorteil gewesen. Aber so wie die Dinge momentan liegen, zählen außereheliche Kinder nicht und Adoption ebenfalls nicht. Mit etwas Glück und den richtigen Kontakten hätte ich vielleicht auf eine Ausnahme hoffen können, die unseren Stammbaum gerettet hätte.«
Als er das gesagt hatte, wurde es im Zimmer still. Peder schaute aus dem Fenster, um nach diesem Geständnis Kraft zu schöpfen, ehe er sich wieder Ebba zuwandte. Jetzt betrachtete er sie ganz offen, ohne Wut und vielleicht auch ohne Berechnung. Zu ihrem Erstaunen stellte Ebba fest, dass sie ihn auf einmal mit anderen Augen sah. Sie hatte in der Tat ein sympathisches Gesicht vor sich. Er öffnete den Mund, aber lächelte nicht. Seine schiefen Eckzähne waren zu sehen. Er hat Ausstrahlung, dachte sie, das ist jemand, der mehr Tiefe besitzt, als ich mir vorgestellt hatte. Sie war neugierig darauf, wie sich seine Persönlichkeit in dem weiteren Verhör darstellen würde, und schämte sich fast ihrer Macht, ihn zwingen zu können, sich ihr zu öffnen.
Vielleicht fühlte sich Anwalt Jarlevik angesichts der plötzlichen Klarheit, die zwischen Peder und Ebba entstanden war, ausgeschlossen, aber nicht einmal sein aufforderndes Hüsteln vermochte den Bann zu brechen.
Ebba musste lächeln. Deswegen klang ihre nächste Frage im Hinblick auf die seltsam herzliche Stimmung auch recht drastisch: »Peder, haben Sie Raoul Liebeskind getötet?«
»Nein«, antwortete er ganz schlicht.
»W ollten Sie ihn töten?«
»Antworten Sie nicht«, sagte der Anwalt, und Peder schaute zu Boden.
»Dann frage ich, ob Sie zugeben, Raoul Liebeskind geschlagen zu haben?«
»Antworten Sie nicht«, wiederholte der Anwalt und fuhr fort: »W ir haben noch keine Beweise gesehen.«
»Dann will ich an etwas erinnern, worauf Sie Ihr Anwalt hoffentlich auch schon hingewiesen hat, dass Sie mit mildernden Umständen rechnen können, wenn Sie freiwillig ein Geständnis ablegen.«
»Es gibt nichts zu gestehen«, sagte Peder.
»Ich glaube doch«, entgegnete Ebba und hob rasch beide Brauen. »Denn ich glaube, dass es sich folgendermaßen zugetragen hat, Peder. Ich glaube nicht, dass Sie Raoul Liebeskind getötet haben.«
Obwohl die Stimmung bereits entspannt war, war Peder die Erleichterung deutlich anzumerken. Ebba lächelte ihn an und fuhr dann fort: »Es ist kaum vorstellbar, dass Sie ihm gegen seinen Willen Dextropropoxifen verabreicht haben. Ich zweifle daran, dass Raoul irgendetwas von Ihnen angenommen hätte. Er nahm sich eher das, was Sie haben wollten. Sie wissen sicher inzwischen, dass Raoul an einer Überdosis Dexofen gestorben ist. Aber vorher haben Sie ihn geschlagen, weil er Sie beleidigt hatte. Und damit nicht genug. Ihre Beteiligung geht noch weiter, oder?«
Die kurze Vertraulichkeit war wie weggeblasen. Peder war wieder auf der Hut.
»Sie hatten sich vielleicht eingebildet, ihn mit dem Schlag getötet zu haben. Er fiel nach rückwärts und schlug mit dem Kopf sehr fest auf der Bank auf. Aber daran starb er nicht. Sie bekommen jedoch kalte Füße und lassen Raoul auf dem Steg zurück. Wenig später ruft Louise Sie ein erstes Mal an diesem Abend an und sagt, Raoul sei tot. Entweder sind Sie noch auf der Insel und haben sich in Ihrem Häuschen verkrochen, oder Sie sind mit Ihrem Boot noch nicht sonderlich weit entfernt. Sie kehren zum Steg zurück. Dort erwartet Sie Louise. Sie haben ein schlechtes Gewissen. Sie hatten ihr versprochen, ihr dabei zu helfen, eine Familie zu gründen, sie dann aber verraten, indem Sie eigene Absichten für das Kind hatten. Das haben Sie ihr natürlich nicht
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