Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
hatte in der Tat versucht, dieses Gefühl zu unterdrücken, aber es kehrte immer wieder mit zunehmender Stärke zurück. Auch dieses Mal würde es wieder so kommen. Sie würde nicht dagegen ankämpfen können und sich vollkommen hingeben. Und dann würden Tränen und Bitten folgen.
Je mehr sie ihre Gedanken bejahte, desto gefährlicher erschienen sie ihr. Was ihr anfangs nur Angst eingeflößt hatte, wirkte nun prickelnd-aussichtsreich. Erwartung. Sehnsucht. Ungeduld. Der Augenblick, bevor alles geschieht, in dem es scheinbar immer noch die Möglichkeit zum Rückzug gibt. Aber damit sich die Erwartung einfinden kann, ist auch eine Gewissheit über den möglichen Verlauf erforderlich, über den Höhepunkt in seiner gesamten blendenden Explosivität.
Da klopfte es an der Tür, und Caroline wusste bereits, wer es war. Ihre Haut kribbelte, und sie erkannte, dass sie einen Entschluss gefasst hatte. Der winzige Zweifel, den sie noch hegte, erhöhte ihre gespannte Erregung nur noch. Das schlechte Gewissen war in eine kleine feuchte Ecke ganz unten im Herzen verbannt worden und drohte nicht mehr damit, die Pläne zu vereiteln. Jetzt brauchte sie sich nur noch zurückzulehnen und es geschehen lassen. Sie brauchte nicht einmal den Finger zu heben, es war nur noch ihre passive Zustimmung erforderlich.
Er wartete das »Herein« nicht ab, um sie stören zu dürfen. Gleichmäßigen Schrittes kam er die Treppe herunter und nahm dann auf seinem Stuhl Platz. Sie spielte weiter, als würde sie es nicht merken. Nach einer Weile sah sie ihn an, während Finger und Bogen weiter über das Cello huschten. Ihr Blick ruhte entspannt in seinen Augen. Keiner wich dem anderen aus. Ein sich steigernder Sog zwischen ihnen entstand und lag weiterhin in der Luft, nachdem der letzte Ton verklungen war.
»Ich habe heute Abend dein Gefühl für Kräuter zu schätzen gewusst«, sagte er.
»Ich weiß gar nicht, wie ich sie erst vergessen konnte. Aber dann merkte ich plötzlich, dass was fehlte.«
»Ich verstand gar nicht, was es war, bis du meine Sinne berührt hast«, meinte er. »Und es war dieses Elixier, das den Hass verwandelt hat.«
Sie lachte verlegen. Er war so direkt, dass sie bei dem obligatorischen Vorspiel nicht ganz mitkam. Sie wollte ihn nicht wissen lassen, wie interessiert sie war, sie stählte sich also, um nicht zu viel von sich selbst preiszugeben.
»Elixier?«
»T ristan und Isolde trinken den Liebestrank, obwohl sie bereits mit König Marke verlobt ist.«
Sie begann eine neue Melodie, dieses Mal eine unkomplizierte Sonate von Telemann. Die Unterhaltung drohte sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. So hatte noch nie jemand zu ihr gesprochen. Elixier, Tristan … hätte ein anderer diese Dinge gesagt, dann hätte sie es peinlich gefunden. Jetzt fühlte sie sich jedoch erwachsen und auserwählt.
»T hymian und Rosmarin mussten heute Abend als Elixier genügen.«
Er betrachtete sie genüsslich, vollkommen reglos.
»Gefährliche Dinge, stark und unwiderruflich.«
Caroline biss sich auf die Unterlippe und blinzelte widerwillig, sah aber ein, dass sie sich seinem Bann gar nicht entziehen wollte. Wie kühl und distanziert sie auch erscheinen mochte, musste sie ihm doch zugestehen, dass er sich in einer ganz anderen Verführerliga befand als sie. Er war der Wolf, und sie war das kleine Lamm. Er wusste sehr gut, wie man eine Beute in die Schlinge lockte, obwohl die Einsätze vermutlich selten so hoch gewesen waren wie an diesem Abend. Aber wie konnte er sich nur so sicher sein, dass sie es zulassen würde, dass er sie eroberte? Sie war schließlich Louises Lebensgefährtin. Das sollte ihn doch etwas abschrecken. Sollte sie die Unterhaltung vielleicht in ein ungefährlicheres Fahrwasser lenken? War es klug, ihn noch etwas hinzuhalten? Sie war erstaunt darüber, wie unsicher sie plötzlich war.
»Das kam jetzt überraschend«, flüsterte sie. Und obwohl das ein Zugeständnis war, sah sie, dass ihre sachliche Ehrlichkeit eine starke Wirkung auf ihn ausübte.
Er holte tief Luft. »Ja, das stimmt«, sagte er mit plötzlichem Ernst. »Aber … überhaupt nicht unwillkommen. Im Gegenteil. Für uns beide eher unausweichlich. Nicht wahr, Caroline?«
Ohne den Blick von ihm zu lösen, aber auch ohne zu antworten, ließ Caroline den Bogen weiter zärtlich über die Saiten gleiten. Ihr Herz pochte. Das Blut strömte in ihren Schoß. Er strich gedankenverloren mit Zeige- und Mittelfinger über seine Unterlippe. Die Stille zwischen ihnen war
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