Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
kicherte. »Nur gut, dass es in dieser Branche nicht so viele Frauen gibt.«
Louise lachte, und Anna beeilte sich hinzuzufügen: »Die überlasse ich dir, Louise.«
»Danke«, erwiderte Louise, »aber im Augenblick bin ich besetzt.« Sie schielte zu Caroline hinüber. Diese starrte auf den Fußboden.
»Gratuliere, Anna«, sagte Helena und stieß mit Anna an.
Caroline leerte ihr Glas und knallte es dann auf den Tisch.
»Also, lasst uns essen«, sagte Caroline. Sie ging zum Herd und lehnte den Arm gegen die Dunstabzugshaube. Hinter sich hörte sie, wie der Tisch gedeckt wurde. Die Stimmen verschwammen. Helena und Anna standen neben dem Tisch und unterhielten sich. Louise und Raoul diskutierten irgendetwas. Sie selbst war zu nichts anderem in der Lage, als im Kochtopf zu rühren.
Seit dem peinlichen Vorfall auf der Treppe hatte sie kein Wort mehr mit Raoul gewechselt. In ihrer Verzweiflung hatte sie sich im Studio eingeschlossen und die Bach-Suiten gespielt, alle sechs von Anfang bis Ende. Als Buße. Sie dankte natürlich ihrem glücklichen Stern, dass er sie rechtzeitig durchschaut hatte. Sicher glaubte er, dass sie sich Vorteile als Musikerin erhoffte, dass sie sich einbildete, als Dank für eine Nummer mit seiner Stimme als Juror rechnen zu können. Als er dann draußen im Regen gestanden und an das Fenster geklopft hatte, war sie in Panik geraten. Sie hatte nicht gewagt, ihr Cello zu verlassen. Besser am Gewohnten festhalten, Bogen in der Rechten, die Finger der Linken auf dem Griffbrett. Sie wusste, was sie hatte, und wollte nicht wissen, was sie verlieren konnte. Solange er nicht sagte, dass er es bereute, sich höflich entschuldigte und ihr gutmütig auf die Schulter klopfte, um seine kleine Eskapade zu bagatellisieren, konnte sie sich einbilden, dass es eine Zukunft gab. Sie hatte es ganz einfach nicht gewagt, die Glastüre zu öffnen und sich der Wahrheit zu stellen.
Gleichzeitig schrie ihr ganzer Körper nach ihm, sie konnte an nichts anderes denken als an seinen Duft und an seine weichen und warmen Lippen. Je mehr sie sich nach ihm sehnte, desto mehr war sie davon überzeugt, dass er am Vorabend nur auf ein banales kleines Abenteuer aus gewesen war.
Gab es von seiner Seite denn keine Liebe? War er so rücksichtslos, dass er für einen kurzen Genuss jede ausnutzte? War er sich so sicher, ein Star zu sein, dass er erwartete, dass ihm alle zu Willen waren? Mit jeder Frage, die sie sich stellte, nahm ihre Gewissheit zu, dass sie einen fürchterlichen Fehler begangen hatte. Mehrere Fehler, die sich addierten. Wenn sie doch einfach einen Strich unter ihren Seitensprung ziehen, Raoul links liegen und ihre Beziehung mit Louise fortsetzen könnte. Aber sie wusste sehr gut, dass sie Louise bereits hinter sich gelassen hatte. Sie konnte zu ihr nicht zurückkehren, sie wollte nicht, außer ihm interessierte sie niemand mehr. Sie würde die Zähne zusammenbeißen müssen, bis sie ihre Sehnsucht überwunden hatte. Erst dann würde das Gefühl der Erniedrigung abklingen.
Wie ungewohnt das war. Und falsch. Sie hatte doch bislang immer wählen können. War sie interessiert gewesen, dann hatte sie die betreffende Person auch immer bekommen. Das war die einfachste Sache der Welt gewesen. Auf ihren kleinsten Wink hin waren sie angekrochen. Gestern hatte sie ihre Verfügbarkeit signalisiert, und er hatte gehorsam und den Spielregeln gemäß alle Signale aufgefangen. Jetzt schenkte er ihr kaum einen Blick. Es gab keine Grenze, wie weit sie sich erniedrigen würde, um ihn zurückzugewinnen. Sie wusste aber auch, dass sie ihn nur abschreckte, wenn sie sich zu sehr bemühte. Das hatte sie selbst nur zu oft erlebt, allerdings immer andersherum, da hatte sie die Oberhand besessen und unbekümmert die Bewunderer abserviert, die ihr mit flehendem Blick ihre blutenden Herzen dargeboten hatten. Am Vortag war etwas Unerwartetes und bislang Undenkbares geschehen. Ihre eigenen Gefühle hatten sie mit einer Heftigkeit erfasst, mit der sie nie gerechnet hätte. Der Schmerz durchbohrte ihre Brust. Sie konnte sich gegen die Kraft, die er in ihr erweckt hatte, nicht wehren. Denn das hier war keine fröhliche Romanze und kein beiläufiger Zeitvertreib. Es war das, worauf sie immer gewartet hatte, aber sie hatte nicht geahnt, dass es so wehtun würde. Das war die Passion, die Leidenschaft und das Leiden. Und obwohl sie unhöflich und geradezu stupide wirkte, weil sie sich weigerte, auf das Wohl Annas zu trinken, und obgleich sie einsah, wie
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