Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
aus.
»Das nennt man Schwangerschaft. Willkommen bei Caroline und ihren neun Monate währenden Stimmungsschwankungen«, meinte sie und betrachtete Louise mit verschleierten Augen. Inzwischen konnte Helena so gut mit ihrem Alkoholismus umgehen, dass sie sich selbst in ziemlich betrunkenem Zustand den Anschein geben konnte, die vernünftige Person zu sein, die sie immer ihrer Mitwelt präsentierte. Aber jetzt spürte sie, dass ihre Geduld ein Ende hatte. Sie hatte keine Lust mehr, unfreiwillig Komplizin ihrer Schwester zu sein und Integrität, Takt und falsche Diskretion an den Tag zu legen. Neben ihr saß Louise und fuhr sich mit den Fingern über Stirn und Nasenrücken, die Brauen von einem symbolischen Kopfschmerz gerunzelt. Dieses introvertierte, stoische Leiden, das Helena noch nie hatte ertragen können. Nein, verdammt, dachte sie, warum soll ich um den heißen Brei herumreden?
»Sie ist doch schwanger?«, fragte Helena mit Nachdruck und sah Louise von der Seite an. »Da bist du dir ganz sicher?«
»Natürlich«, erwiderte Louise, ohne eine Miene zu verziehen.
Hatte sie eine andere Antwort erwartet? Ja, oder zumindest ein Nachhaken, beispielsweise: »W arum sollte sie das denn nicht sein?« Oder: »Hat sie zu dir etwas anderes gesagt?« Aber Louise verriet nichts, weder durch ihren Tonfall noch durch ihre Miene. Wie immer, mit anderen Worten. Und genauso vorhersehbar wie der Umstand, dass Caroline sie mit ihren halben Andeutungen und hysterischen Anfällen aus der Ruhe gebracht hatte.
Helena empfand eine große Müdigkeit. Kein Erstaunen. Sie war es gewohnt, dass Caroline in Extremen lebte. An einem Tag der Weltuntergang, am nächsten Sonnenschein, und dann gleich wieder der gähnende Abgrund. Am allermeisten störte sie, dass sie sich selbst in das unreife Benehmen ihrer Schwester verwickeln ließ. Stets diese Sorge anlässlich ihrer psychischen Labilität. Aber sie konnte nicht die Verantwortung für Carolines Entscheidungen übernehmen. Sie konnte ihr nicht weiterhin den Rücken decken, wenn sie etwas anrichtete. Jeder Fernsehpsychologe wäre zu dem Schluss gekommen, dass das Caroline nur in ihrer Selbständigkeit hemmte. Sie hatte auch wirklich nicht vor, zwischen Louise und Caroline zu vermitteln. Jetzt reichte es. Es war an der Zeit, Caroline ins Gewissen zu reden. Erst musste sie nur etwas nüchterner werden.
»Aber warum ist sie so wütend?« Louise goss Gin in Helenas Glas, ließ es einen Augenblick kreisen und trank es dann in einem Zug leer. »Habe ich etwas falsch gemacht? Ich verstehe nicht, was das sein sollte, und sie weigert sich, mit mir zu sprechen.«
»Sie ist vermutlich so verdammt fertil, dass die Hormone mit ihr durchgehen, sobald sie befruchtet wird. Mit mir war auch nicht zu spaßen, als ich Johanna erwartet habe«, meinte Helena. Die Tür knarrte. »Sieh an! Die Baronesse! Wenn man vom Teufel spricht, dann steht er in der Diele und lauscht!«
Louise holte tief Luft, als Caroline mit einer Tüte Cheez Doodles in der Hand in den Salon schlenderte. Ihre Lider waren rot und geschwollen, was ihre glänzenden Augen noch grüner erscheinen ließ. Es schien sie aber nicht weiter zu bekümmern, dass die anderen sahen, dass sie eben noch geheult hatte. Sie warf sich auf einen Sessel und legte ein Bein nachlässig über die Armlehne. Die Snacktüte raschelte, als sie eine Handvoll von dem Zeug herausnahm und in den Mund stopfte. Orange Krümel legten sich wie ein pudriger Schnurrbart auf die Oberlippe.
»Hormone?«, murmelte sie zerstreut und kauend. »Bist du schon im Klimakterium, Melkersson? Ich fand auch, dass du in letzter Zeit ungewöhnlich jammerlappig warst.«
Helena lachte böse und beugte sich vor, um etwas von dem Käsesnack zu stibitzen.
»W ie kannst du nur den lieben langen Tag dieses Junkfood essen und trotzdem so dünn bleiben?« Helena betrachtete ihre Schwester, während sie an einem Käsesnack knabberte. »Aber jetzt bist du ja schwanger, Caroline? Oder? Jetzt musst du dich an das Schwangerschaftsfett gewöhnen.«
Caroline schob die Hand in die Tüte und nahm eine noch größere Handvoll heraus. Einige fielen zu Boden, und Louise beugte sich instinktiv vor, um sie aufzuheben.
»W eißt du was«, erwiderte Caroline desinteressiert, während sie kaute, »das bekümmert mich wirklich nicht im Geringsten.«
Sie schaute Louise aus den Augenwinkeln an, und diese schenkte ihr ein tränenerfülltes Lächeln. Caroline senkte den Blick.
»Du ahnst gar nicht, wie erleichtert
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