Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
ich bin, das zu hören«, sagte Louise und spielte mit einer von Carolines Locken. »Ich habe allmählich schon befürchtet, du könntest das mit dem Kind bereuen. Aber vielleicht ist auch nur natürlich, dass man anfangs etwas nervös ist. Schließlich bedeutet das für uns beide so viel Neues.«
Caroline schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken, damit Louise besser mit ihrem Haar spielen konnte. Sie unterdrückte ein Aufstoßen und wischte sich die Krümel vom Mund. Helena sah sie an und öffnete den Mund, um eine ironische Bemerkung zu machen, hielt dann aber inne. Stattdessen lächelte sie und sagte: »Ihr beide seid ein hübsches Paar.«
Louise blinzelte zum Dank mit beiden Augen.
Die Haustüre ging auf, und Annas Lachen wurde vom Wind hereingetragen.
»Hier ist es ja still wie im Grab«, war ihre Stimme aus der Diele zu vernehmen. »W o sind alle?«
»Hier sind wir«, rief Louise, und wenig später stand Anna mit rosigen Wangen in der Tür des Salons. Sie hatte das Haar mit Wasser gekämmt und zu zwei Zöpfen geflochten. Hinter ihr tauchte Raoul auf. Er schaute ihr wie eine Eule über die Schulter. Seine warme Haut glänzte unter seinen dunklen Bartstoppeln. Auf der Stirn unter den dunklen Locken perlten Schweißtropfen.
»Sollen wir spielen?«, fragte er.
Caroline knüllte die leere Tüte zusammen und warf sie in die Luft. Sie prallte von Helenas Dekolleté ab, fiel zu Boden und rollte Anna vor die Füße.
Es begann schlecht. Raoul riss eine Saite, während er die Geige stimmte. Helena stöhnte laut auf. Nervöse Stille breitete sich aus, während er in seinem Geigenkasten vergeblich nach einer Ersatzsaite suchte. Anna griff in ihre Tasche und reichte ihm eine neue E-Saite.
»Bitte schön, Liebling«, flüsterte sie laut genug, dass alle es hören konnten. Helena und Louise tauschten einen erstaunten Blick aus, während sich Caroline mit der Spitze ihres Bogens in den Zähnen stocherte. Raoul tat, als sei nichts, nickte Anna dankbar zu und nahm den kleinen Umschlag mit der aufgerollten Saite entgegen. Während er seine Geige besaitete, nahm Caroline ein Buch aus ihrer Tasche, die neben dem Notenständer auf dem Fußboden stand, und begann zu lesen. Es raschelte jedes Mal laut, wenn sie umblätterte. Als Raoul mit dem Besaiten fertig war und rasch gestimmt hatte, richtete er sich auf, legte die Geige ans Kinn, suchte die Blicke des Quartetts, um sich ihrer Aufmerksamkeit zu versichern, und begann zu spielen. Caroline las weiter in ihrem Buch. Raoul ließ seinen Blick auf ihr ruhen und wartete darauf, dass sie seiner Aufforderung nachkommen würde. Als sie das nicht tat, beugte er sich etwas zu ihr vor und sagte leise: »Caroline, wir wollen jetzt spielen. Sei so nett und nimm dein Instrument.«
Aber Caroline beachtete ihn überhaupt nicht.
»Ich bitte dich … «, fuhr er mit leichter Unruhe in der Stimme fort. Er wirkte müde. Caroline blieb unnahbar. Stille breitete sich lähmend zwischen ihnen aus, und schließlich starrte Raoul sie an, als versuche er, ihr Buch mit dem Blick zu durchdringen. Caroline las jedoch ungerührt weiter.
»Caroline«, sagte er noch einmal, jetzt etwas lauter. Louise öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber der durchdringende Klang der ersten Geige fiel ihr ins Wort. In rasendem Tempo begann Raoul zu spielen, und Anna und Helena versuchten, so gut es ging, mitzuhalten. Caroline blätterte weiter in ihrem Buch, als sei sie vollkommen in dem fesselnden Text versunken. Erst als etwa die Hälfte des ersten Satzes beendet war, beugte sie sich träge, immer noch mit dem Buch in der Hand und ohne die Zeilen aus den Augen zu lassen, zu ihrer Tasche herunter. Umständlich machte sie ein Eselsohr in eine Seite und legte das Buch weg, während um sie herum die Musik brandete. Anschließend griff sie zu ihrem Bogen und beteiligte sich plötzlich in noch rascherem Tempo, einen halben Schlag vor den anderen, an dem Spiel. Sie spielte laut und dominierend und mit vollkommen ausdrucksloser Miene.
Raoul brach mit einer unwirschen Geste ab, und alle hörten auf zu spielen. Er warf ihr einen fragenden Blick zu, aber Caroline sah ihn nur vollkommen verständnislos an.
Louise schlug ihr Notizbuch zu und räusperte sich: »Sollen wir noch einmal von vorn anfangen?«, sagte sie betont freundlich. »V ersucht doch, ein gemeinsames Tempo zu finden.«
Raoul schnaubte und wischte sich ein paar schweißfeuchte Locken aus der Stirn. Dann hob er seinen Bogen, um noch einmal den Takt
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