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Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso

Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso

Titel: Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Bartosch Edström
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Insel bestand aus einem Wäldchen mit Kiefern, Tannen und ein paar Birken, die im Wind rauschten. Am Ende der nördlichen Landzunge stand auf einem hohen, runden Felsen das Atelier. Eine windgepeitschte Holztreppe führte in Absätzen zu dem kleinen Holzgebäude mit großen Glasfenstern nach Norden und Osten hinauf, unter denen die Felsen steil ins Meer abfielen. Die Treppe auf der Südseite wurde von Geißblatt überwuchert, dessen Samen sich vor fünfzig Jahren auf die Insel verirrt und hier die perfekten Wachstumsbedingungen gefunden hatte. Das Haus war im einfachen Schärenstil gehalten, mit geteerten Brettern verkleidet und hatte ein rotes Ziegeldach. Der Fußboden bestand aus unbehandelten Dielen, die Innenwände waren weiß gestrichen. In der Kochnische gab es einen Gasherd mit zwei Flammen, auf dem ein emaillierter, schmutziger Wasserkessel stand. Auf dem Wandbord verloren sich ein paar Tassen, Gläser und Teller. Es gab elektrischen Strom, aber kein fließendes Wasser, das musste man aus dem Haupthaus in einer Korbflasche, die an einem Lederriemen über der Schulter getragen werden konnte, mitnehmen. Gespült wurde in einem emaillierten Waschbecken mit dazu passender Wasserkanne. An einer Wand stand ein stabiles Bett und vor dem kleinen Gusseisenofen zwei Bruno-Mathsson-Sessel. Eine große Staffelei und ein Architektenzeichentisch nahmen die übrige Fläche ein.
    Das Atelier auf Svalskär war zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Sommern für viele Maler ein zentraler Ort gewesen. Gemälde wurden gegen ein Dach über dem Kopf und zwei Mahlzeiten täglich im Haupthaus eingetauscht. Mittlerweile diente das Atelier gelegentlich als Gästehaus. Es war lange her, dass dort jemand gemalt hatte, aber die verblichenen Farbspritzer und -flecken legten noch Zeugnis vom ursprünglichen Verwendungszweck des Hauses ab. In den Sommern ihrer Kindheit hatte sich Louise oft dort eingeschlossen, um in Ruhe zu üben.
    Jetzt ging Anna dort mit dem Geigenkasten in der Hand die Treppe hoch, um etwas Abstand zu gewinnen. Die Vormittagsprobe war ruhig verlaufen, aber die Konflikte schwelten weiter. Die gedrückte Stimmung im Haupthaus schlug allen auf die Laune. Caroline knallte Türen zu und schrie Louise an, Raoul schloss sich in seinem Zimmer ein, um zu telefonieren, und Helena plünderte die Hausbar. Heute Nachmittag war Gin Tonic angesagt. »Heute gibt es ohnehin keine Aufnahme mehr«, hatte sie achselzuckend gemeint, sich aufs Sofa gesetzt, die Schuhe ausgezogen und die Füße auf den Couchtisch gelegt. Anna hatte sich eine halbe Flasche weißen Bourgogne geschnappt und sich dann mit ihrem Geigenkasten ins Atelier begeben.
    Im Haus war es kühl, obwohl frische Asche im Ofen lag. Anna machte sofort Feuer. Der Korb mit dem Brennholz war noch halb voll. Die Streichhölzer lagen in einem leeren Marmeladenglas, damit sie nicht feucht wurden. Das übergroße Streichholz flammte auf, als sie es über die Reibfläche strich, aber das feuchte Brennholz fing nur schwer Feuer. Nach einigen erfolglosen Versuchen gelang es ihr schließlich, ein paar zerknickte Kopien der Primgeigenstimme eines Concerto Grosso von Corelli in Brand zu setzen, das sie vor zwei Jahren bei einem Konzert gespielt hatte. Die Kopien hatten in einem Fach ihres Geigenkastens gelegen. Bald fingen dann auch die dünneren Stöcke Feuer, und zehn Minuten später brannte ein munteres Feuer im Ofen. Sie legte ein paar Decken zusammen, die auf dem Fußboden lagen, und setzte sich dann im Sessel vor das Feuer, um sich die Hände zu wärmen. Ihre Jacke behielt sie vorerst noch an. Da sie ohnehin nicht mit dem Spielen anfangen konnte, bis es einigermaßen warm im Raum war, nahm sie die Weinflasche hervor, um sich erst einmal aufzumuntern.
    Fröstelnd und mit hochgezogenen Schultern ging sie im Atelier auf und ab, während sie an dem Wein nippte. Draußen hatte es begonnen zu stürmen. Die Sonne wurde von großen Wolkenfetzen verdeckt, die mit rasendem Tempo vorbeizogen und Schatten auf die Insel und das Meer warfen. Die Wellen prallten auf die Felsen unterhalb des Ateliers und waren bis zu ihr hinauf zu hören. Ihr Handy klingelte. Es war Louise.
    »Ich will, dass wir das Quartett heute Nachmittag noch einmal spielen.«
    »Ist das wirklich sinnvoll?« Automatisch trank Anna den letzten Schluck aus dem Becher und trat an den Tisch, um nachzugießen.
    »Ja, das finde ich. Je besser wir vorbereitet sind, desto schneller geht die Aufnahme. Ich will es so schnell wie möglich

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