Der Klang des Verderbens
der Name – dieses Mal war es Sam – sehr langsam getippt worden war. Genau wie in den letzten Mails. Der Hauptteil der Nachricht und das Postskriptum waren in ganz normaler Geschwindigkeit erschienen. Der Name nicht.
David. Ted. Sam.
»Na, dann schieß mal los. Was weißt du?«, fragte sie.
»Einen Moment noch.« Sykes’ Daumen huschten über das Display seines Handys, als er etwas in eine Suchleiste eingab. Kurz darauf reichte er ihr das Telefon, und eine Überschrift von einem Artikel aus der Chicago Tribune wurde geladen.
»Berühmter Professor und seine Frau im Bett erschossen«, las sie vor.
»Genau. Das war in der Nacht nach Thanksgiving in Chicago.«
Sie konnte sich nicht erinnern, irgendwelche Einzelheiten darüber gehört zu haben; möglicherweise hatte sie hier und da Gespräche aufgeschnappt, ohne weiter darauf zu achten. Sicherlich war es ein sehr prominenter Fall gewesen, der landesweit für Aufmerksamkeit gesorgt hatte, aber es fehlte der grelle Sensationsaspekt toter Babys, deswegen war er nicht lange genug in den Schlagzeilen geblieben, um sich ihr ins Gedächtnis zu prägen.
»Wegen der Position dieses Kerls und der Vorgehensweise wurde das FBI zur Ermittlung herangezogen. Es sah wie ein Auftragsmord aus, eine Hinrichtung. Die Jungs von der örtlichen Behörde waren völlig ratlos. Alle dachten, niemand auf der ganzen Welt würde diesem Mann je etwas Böses wollen.«
Bei diesen Worten hob sie eine Augenbraue, denn sie kannte Sykes gut genug, um zu wissen, dass er nicht in absoluten Größen dachte.
»Er wurde als der Friedenskönig bezeichnet. Doktor Andrew Needham. Ein Collegeprofessor, der das Buch geschrieben hat, mit dem die ganze neue Pazifistenbewegung losgetreten wurde: ›Amerika atmet auf‹.«
Davon hatte sie gehört. Am Rande. Es zählte nicht zu ihrem bevorzugten Lesestoff.
»Präsident Lawton hat ihn letztes Jahr zum Leiter einer Arbeitsgruppe gemacht. Er ist in Talkshows aufgetreten, hat Interviews gegeben und war der Hauptredner bei internationalen Konferenzen. Er hat immer eine rein pazifistische Politik ohne jede Bereitschaft zu Gewalt, Widerstand oder Konflikten gepredigt. Lawtons zweite Amtszeit war maßgeblich von seinen Ideen geprägt.«
»Anscheinend haben jemandem seine Ideen nicht gefallen«, stellte sie trocken fest. Nun war ihr klar, dass sich die Hinweise des Mörders in den beiden Nachrichten auf Needhams Friedensbotschaft bezog.
Das überraschte sie nicht. Viele Amerikaner ärgerten sich über die Richtung, die die Regierung eingeschlagen hatte, und dass das den Rest der Welt einen hohen Preis gekostet hatte. Sie selbst zählte auch dazu. Aber deswegen würde sie ganz sicher keine unschuldigen Menschen umbringen.
»Ich weiß zwar nicht, ob uns auf so einem kleinen Bildschirm irgendwelche Unterschiede auffallen, aber wir sollten mein Video auch anschauen – wenigstens um zu sehen, ob am Ende ein anderer Text steht.«
Ronnie stimmte zu, und auch wenn es ihr schwerfiel, blieb sie auf ihrem Stuhl sitzen und schaute zu, wie sich dieselbe Geschichte noch einmal abspielte. Das Ende verlief genauso. Zwei tote Eltern. Zwei verwaiste Babys. Ein zerfetztes Kissen. Wenn es irgendwelche minimalen Abweichungen vom ersten Video gab, so fielen sie ihnen nicht auf.
Den Unterschied in der Nachricht bemerkten sie hingegen sofort.
»Meine Güte, wer ist der Kerl – hat er eine gespaltene Persönlichkeit?«, fauchte sie, als langsam der Namenszug erschien. »Jetzt heißt er
Jack?
«
»Jack und Sam. Ted und David.« Sykes blickte mit gefurchter Stirn in die Ferne und versuchte, einen sinnvollen Zusammenhang zwischen diesen Namen herzustellen.
Ronnie nahm die Abkürzung, öffnete eine Suchmaschine auf ihrem Tablet und kritzelte die vier Namen in die Suchleiste. Das Ergebnis erschien nahezu zeitgleich, und gleich der erste Eintrag sprang ihr ins Auge.
»Serienmörder.«
»Bitte was?«
»Jack the Ripper. David Berkowitz – auch bekannt als Son of Sam. Und Ted Bundy. Alles Serienmörder.«
Ihre Blicke trafen sich. Vermutlich dachte er dasselbe wie sie.
»Also, dann hat dieser Kerl vielleicht jemanden an einen grausamen Mörder verloren – eine Art Serienmörder – und gibt Dr. Needhams Friedensbewegung die Schuld daran?«, überlegte sie.
»Und den Drogen«, sagte Sykes. »Vielleicht war der, der ihm seiner Meinung nach Leid angetan hat, irgendwie in den Drogenhandel verwickelt.«
Ja, natürlich! Sie hatte noch nicht einmal angefangen, Ortiz in diese Gleichung
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