Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Titel: Der kleine Bruder: Der kleine Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
Vom Netzwerk:
erschüttert. »Kein Wunder, daß Immel dich verstoßen hat!«
    Martin antwortete nicht, sondern japste und jaulte nur.
    »Wieso ist das denn hier jetzt kein besetztes Haus?« sagte Jürgen.
    Karl lachte. »Haben sie dich wirklich Wache halten lassen?«
    Jürgen nickte.
    »Das machen die immer mit neuen Leuten. Wie so Lehrlingsverarschung. Ich kannte mal einen, der hatte eine Lehre als Schlosser gemacht, den haben sie am ersten Tag losgeschickt, die Noten für die Feierabendsirene holen. So ‘n Scheiß halt.«
    »Ich dachte, das ist ein besetztes Haus. Das weiß man doch.«
    »Naja, das ist etwas komplizierter«, sagte Kar!. »Besetzt ist das Haus nur teilweise, nämlich von den Punks im Hinterhaus. Das Haus gehört nämlich eigentlich Immel, aber das soll keiner wissen. Vor allem nicht die Punks.«
    »Hä?!«
    »Was meinst du, wie viele Fernsehteams hier schon waren, weil das Haus besetzt ist? Weil Immel und seine Leute so Besetzerkünstler sind? Das hat ihn doch erst nach vorne gebracht, daß er und seine ArschArt-Leute die großen Besetzerkünstler sind, und was weiß ich denn, was die halt dauernd so schreiben und erzählen und filmen und so. Im-mel hat das Haus vor zwei Jahren geerbt und wußte nicht, was er damit machen sollte, das war ja damals schon entmietet und total runter, und als das mit den Besetzungen losging, da hat er’s lieber gleich selber besetzt, bevor es die anderen tun, und dann stellte sich auch noch raus, daß das die ideale Promo für seine Aktionskunstscheiße war. Bloß die Sache mit den Punks war Pech. Die waren plötzlich im Hinterhaus, und Immel konnte natürlich nichts machen, er konnte ja schlecht die Bullen holen oder was.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Jürgen.
    »Umso besser«, sagte Karl, »muß ja wenigstens einer die Fahne hochhalten! «
    »Oh Mann«, sagte Jürgen nachdenklich und setzte sich auf einen Radiator, der mitten im Raum stand. »Das ist ja krank!«
    »Das ist nicht krank, das ist Kunst. Bei Immel ist immer alles Kunst«, sagte Karl, und er sagte das ohne Ironie. »Wenn das mal rauskommt, sagt er einfach, daß das ein Kunstprojekt war. Du kannst über Immel sagen, was du willst, er ist ein Arschloch vor dem Herrn, aber irgendwie ist er auch genial, genau wie H.R., der kann auch aus jedem Scheiß Kunst machen.«
    »Mann, wie ich diese Dr.-Votz-Scheiße hasse«, sagte Martin, der in diesem Moment, sich die Haare mit einem Handruch rubbelnd, wieder ins Zimmer kam. »Die Scheißfarbe sollte eigentlich auswaschbar sein, aber die geht nicht richtig raus, das sieht doch scheiße aus.«
    Er stellte sich vor einen Spiegel und kämmte sich sorgfältig die Haare nach hinten.
    »Immel hat gesagt, daß du ein Verräter bist und nicht mehr dazugehörst«, sagte Kar!.
    »Logisch, war doch klar«, sagte Martin. »Stimmt ja auch.«
    »Hast du echt Ölbilder gemalt? Heimlich oder was?«
    »Was heißt schon heimlich? Ich habe immer schon mit Öl gemalt, nur nicht hier, mußte Immel ja nicht wissen, irgendwo muß man ja wohnen, und das war ja auch alles ganz lustig mit Immel und Pimmel und dem ganzen Kunstgruppensektenscheiß und Dr. Votz und was weiß ich, aber jetzt habe ich drei Bilder in die Wall City reingekriegt, ich meine, ru dir das mal rein, da scheiß ich doch aufImmel und seine Kasperei!«
    »Der arme Immei«, sagte Kar!. »Das muß ein harter Schlag für ihn sein.«
    »Der ist doch nur neidisch.«
    »Was ist die Wall City?« sagte Frank.
    »Das ist eine Ausstellung«, sagte Karl, »ist in ein paar Wochen, am Wannsee irgendwo, große Berlinkunstschose, International Contemporary Art Show blabla dingsda, Kunstsammlerkack! «
    »Genau«, sagte Martin fröhlich.
    »Immel hat gesagt, er will dich nicht mehr sehen. Er hat gesagt, wenn er dich noch einmal sieht, haur er dir was auf die Schnauze. Vielleicht solltest du schon mal die Sachen packen.«
    »Das geht jetzt nicht, wir müssen doch auf die Party gehen.«
    »Wer macht die überhaupt?« fragte Kar!.
    Martin trug jetzt einen schimmernden, metallicbraunen Anzug, dazu weiße, spitze Schuhe und ein Hawaiihemd.
    »Keine Ahnung, die ist in der Pfuelstraße«, sagte er. Dann fügte er nach kurzem Nachdenken hinzu: »Ist ‘ne komische Sache mit Tequila Slammer: Erst haut es einen aus den Schuhen, aber wenn es vorbei ist, ist man wieder ganz frisch.«
    »Du hast das mit dem Kotzen vergessen«, sagte Kar!.
    »Ach so, ja, das auch«, sagte Martin. »Das hilft wahrscheinlich auch.«
    »Ist Freddie da auch dabei?« fragte Frank.

Weitere Kostenlose Bücher