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Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Titel: Der kleine Bruder: Der kleine Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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so. Außerdem haben wir November. Wer fährt denn schon im November in Urlaub?«
    »Dann eben irgendwas wegen der Kunst!«
    »Ha!« Seine Mutter schneuzte sich am anderen Ende der Leirung ausführlich die Nase. Frank konnte alle Einzelheiten unterscheiden: erst das eine, dann das andere Nasenloch, dann noch einmal beide zusammen, dann ein Schnauben und ein Hin- und Herwischen, es hatte etwas Hörspielhaftes, vor allem aber war es laut, überhaupt hatte der schwere, schwarze Telefonhörer, den er sich, an der Wand der Fabriketage lehnend, mit langsam erlahmenden Kräften ans Ohr hielt, einen mächtig lauten Klang.
    »Entschuldigung«, sagte seine Mutter, »dieser Imbiß, das Fett hat man noch srundenlang in der Nase, schlimm ist das. Aber das andere ist Quatsch. Das sind doch alles so Kunsttypen da bei ihm, da kann mir doch keiner erzählen, daß Manfred wegen irgendwas mit seiner Kunst wegfährt und die wissen nichts davon, das kommt mir unwahrscheinlich vor, der ist doch so eine Plaudertasche, dein Bruder, der ist doch immer schon so ein Angeber gewesen, wie soll der denn irgendwas machen, ohne daß es jeder weiß, das geht doch gar nicht!«
    »Gewesen, gewesen«, sagte Frank. »Das ist doch alles Vergangenheit, was weißt du denn schon, wie er hier so ist und so, ich meine … «
    »Frank! Der ist nicht weg. Da stimmt was nicht.«
    »Was soll das denn jetzt, Mutter? Willst du dich jetzt mit aller Gewalt beunruhigen, oder was?«
    »Beunruhigen? Wieso denn beunruhigen? Ich bin nicht beunruhigt, so ein Quatsch! Du bist ja da! Du wirst ihn schon finden, da mach ich mir eigentlich keine Sorgen. Irgendwo wird er schon sein, was weiß ich denn, was er da immer so treibt, Berlin, da blickt doch kein Mensch durch!«
    »Ja wie jetzt?« warf Frank elO. »Erst sagst du, da stimmt was nicht, und dann sagst du, man soll sich nicht beunruhigen. «
    »Ja und?«
    »Das ist doch ein Widerspruch!«
    »Widerspruch, Widerspruch, der einzige, der hier immer widerspricht, das bist du. Ich sage dir nur, der ist nicht im Urlaub, und der ist auch nicht irgendwo sonst hingefahren, sonst wüßten das alle da, oder wenn, dann wissen die das und sagen dir das bloß nicht. Oder er macht mal irgendwas, das er nicht gleich an die große Glocke hängen will, was Peinliches, was weiß ich denn?!«
    »Ja eben, was?!«
    »Nun werd mal nicht pampig, woher soll ich das denn wissen?! Weißt du eigentlich, daß du neulich Geburtstag
    gehabt hast? Das hatte ich gestern ganz vergessen vor Schreck, das war letzten Sonntag, wo bist du da eigentlich gewesen?«
    »Da war ich in der Kaserne«, sagte Frank.
    »Am Sonntag?!«
    »Ja, da war ich im San-Bereich gewesen.«
    »Was ist denn der San-Bereich?«
    »So ‘ne Art Krankenhaus, also deren Krankenbereich da.«
    »Was hast du da denn gemacht? Warst du krank gewesen?«
    »Nur so ‘ne Erkältungssache«, log Frank. Das fehlte ihm noch, daß dieser ganze alte Scheiß hier wieder hochkam. »Da muß man dann dableiben.«
    »Na ich bin nur froh, daß das mit dem Bund endlich vorbei ist. Und du weißt wirklich nicht, wo dein Bruder ist? Der hat doch nicht etwa was angestellt oder so?«
    »Was soll der schon angestellt haben?«
    »Bei dem weiß man nie. Der ist so sprunghaft. Und so stur. Ich bin froh, daß du dich jetzt um ihn kümmerst. Und sag ihm mal… «
    »Mutter, ich bin sein kleiner Bruder, wieso sollte gerade ich mich um Freddie kümmern?«
    »Welcher Freddie denn jetzt?«
    »Manfred. «
    »Ach so. Freddie, das klingt ja bescheuert, das klingt ja wie Freddie Quinn.« Seine Mutter lachte.
    »Ja, aber wieso soll ich mich um ihn kümmern, so ein Quatsch!« sagte Frank.
    »Weil du der Vernünftigere bist. Dieser ganze Kunstkram, da blickt ja keiner durch!«
    »Ich sag ihm, daß er dich mal anrufen soll, wenn ich ihn sehe.«
    »Ja. Und herzlichen Glückwunsch, mein Junge. Das ging jetzt alles so schnell in letzter Zeit, man kommt ja richtig durcheinander. Ich bin nur froh, daß ihr beide jetzt zusammen seid.«
    »Ja, finde ich auch gut!«
    »Mach’s gut, Frank, mein Kleiner. Ich ruf dann morgen nochmal an.«
    »Wieso das denn jetzt?« Das ist unfair, dachte Frank, man hat sich schon innerlich Entwarnung gegeben, dachte er, man bereitet sich schon darauf vor, den Hörer aufzulegen, und dann holt sie noch einmal zum Schlag aus und trifft einen gänzlich unvorbereitet, dachte er, das muß man sich merken!
    »Wegen Manfred, ich will den doch auch noch sprechen.«
    »Aber ich hab doch gesagt, daß der nicht da

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