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Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Titel: Der kleine Bruder: Der kleine Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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verkleiden, wie sie wollen, dachte er.
    »Was gibt’s denn?« sagte der Mann, als er aus dem Lift trat.
    »Dieser junge Mann hier«, sagte der Portier und zeigte auf Frank.
    »Was wollen Sie?« sagte der Mann mit dem Kittel.
    Er könnte wenigstens Guten Abend sagen, dachte Frank, der Arsch hat keine Manieren, dachte er, der beschissene Herrenmenschenwichser meint, er bräuchte sich nicht an die guten Sitten zu halten, steigerte er sich in einen nützlichen Furor hinein, so sehr, daß er sich mit aller Kraft beherrschen mußte. »Ich will zu meinem Bruder«, sagte er. Man muß es wie Harry machen, dachte er, erst mal auf die ruhige Tour, damit sie sich sicher fühlen, und dann immer drauf]
    »Dafür gibt es Besuchszeiten, die sind aber jetzt vorbei.«
    »Das ist mir egal, ich will jetzt sofort zu meinem Bruder.«
    »Das geht nicht, das ist extra so geregelt, daß es Besuchszeiten gibt, da müssen sich alle dran halten.«
    »Das ist mir egal«, sagte Frank. »Ich bin nicht hier, um lange herumzudödeln. Ich bin sicher, daß mein Bruder hier ist, und ich laß mich nicht wegschicken. Wenn Sie mich meinen Bruder nicht sehen lassen, muß ich davon ausgehen, daß Sie ihn hier gegen seinen Willen festhalten, und dann muß das die Polizei klären.«
    »Die Polizei?« Der Mann lächelte spöttisch und überlegen. »Wo wollen Sie denn so schnell die Polizei herkriegen? Wie wollen Sie denn hier mal eben schnell die Polizei rufen, Sie Spaßvogel!«
    »Die Polizei brauch ich nicht zu rufen, das macht der da gleich«, sagte Frank, dem das Herz jetzt bis zum Halse klopfte, und zeigte auf den Portier.
    »Und warum sollte der das für Sie tun?«
    »Nicht für mich, für Sie«, sagte Frank, und er spürte befriedigt, wie es in ihm kochte, jetzt knallt’s, dachte er, jetzt, dachte er in Erinnerung an den albernen Titel eines Buches, das ihm sein Bruder, als sie kleine Jungs gewesen waren, mal geliehen hatte, regnet’s Ohrfeigen, jetzt erwische ich dich auf dem falschen Fuß, Arschloch!
    »Weil ich Ihnen gleich mächtig was auf die Schnauze haue, Sie Wichser«, schrie er mit voller Kraft, »weil ich Ihnen gleich Ihr Stethoskop in den Arsch ramme, Sie verdammtes Arschloch«, brüllte er und ging auf den weißgekleideten Mann zu, »ICH HAU DICH ZU SCHEISSE, DU VERBRECHER!« Der andere wich zurück und hielt die Hände abwehrend ausgestreckt. »Moment«, rief er, »Moment, das ist doch alles ein Mißverständnis. «
    Der Portier hatte bereits den Telefonhörer in der Hand.
    »Soll ich die Polizei rufen?« rief er. »Ich will hier keine Schlägereien, sowas muß ich hier nicht dulden!«
    »Ja, rufen Sie die Polizei«, sagte Frank, jetzt wieder mühsam beherrscht. »Mal sehen, ob die hier meinen Bruder finden!«
    »Nein, warten Sie«, sagte der Mann im Kittel. »Das ist doch alles ein Mißverständnis, nun beruhigen Sie sich doch, mein Gott, wir machen das doch nicht aus Schikane, das ist doch nur, daß wir Besuchszeiten haben, damit die Probanden ihre Ruhe haben, was meinen Sie, was das hier sonst für ein Kommen und Gehen wäre?! Außerdem müssen wir die Leute doch auch untersuchen!«
    »Das ist mir scheißegal, ich will meinen Bruder sehen.«
    »Ja, wenn es so dringend ist«, sagte der Mann, »das kann man doch auch zivilisiert regeln, da muß man hier doch nicht gleich so ein… Wie heißt denn Ihr Bruder?«
    »Manfred Lehmann.«
    Der Mann in Weiß schaute zum Portier hinüber. »Wo ist der denn?«
    Der Portier suchte mit dem rechten Zeigefinger eine Liste ab, »Lehmann, Lehmann, Manfred: 312.«
    »Das ist im dritten Stock, 312«, sagte der Mann. »Soll ich Ihnen das zeigen?«
    »Nein«, sagte Frank und ging in den Fahrstuhl. Der
    Mann in Weiß wich ihm aus, als er an ihm vorbeiging, und
    als sich die Tür zum Lift schloß, sah Frank, daß er ihm nachschaute und sich dabei am Kopf kratzte.
    Im Flur des dritten Stocks war niemand zu sehen, und es war ganz still. Frank klopfte an die Tür von Zimmer Nr. 312, aber niemand rief ihn herein. Er lauschte an der Tür und hörte ganz leise Stimmen, also klopfte er noch einmal lauter, aber es antwortete noch immer keiner, deshalb probierte er die Klinke. Die Tür war nicht abgeschlossen. »Freddie«, rief er leise und ging hinein.
    Er kam in einen kleinen Flur, von dem links das Bad abging, das war offen und erleuchtet, aber niemand war darin. Nach einer weiteren Tür stand Frank in einem kleinen Zimmer, darin waren ein Einzelbett, ein Tisch, ein Stuhl und ein großer Fernseher, der war

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