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Der kleine Fluechtling

Der kleine Fluechtling

Titel: Der kleine Fluechtling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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Kopf. »Technischer Zeichner im Werftbüro.«
    Daraufhin nickte er in Richtung von Burgels Laden. »Der Gerhard sagt, er wüsst keine Maschine, die ein Geheimnis vor mir hüten könnt, deswegen bin ich heut mit ihm mitgfahrn. Er wollte, dass ich mir das Scheppern mal anhör, das der Lieferwagen seit einer Woche von sich gibt.«
    »Und das Scheppern hat dir ein Geheimnis verraten?«, staunte Gerda.
    »Unbestritten«, antwortete Ulrich.
    Gerda lehnte sich an den Kotflügel des Wagens und fragte: »Was zeichnest du denn für Schiffe?«
    Einen Moment lang starrte Ulrich sie verständnislos an, dann begriff er. »Schiffe werden anderswo konstruiert«, murmelte er in den Ton der Ladenglocke, »ich darf bloß Bauteile herauskopieren.«
    Gerhard schoss aus Burgels Geschäft und ließ eine Hand auf Ulrichs Schulter fallen. »Weißt schon, an was es liegt?«
    Ulrich sagte es ihm, und sie begannen zu debattieren.
    Gerda kehrte ihnen den Rücken und betrat den Laden. Ein paar Minuten später kam sie mit ihren Einkäufen wieder heraus. Der Lieferwagen war verschwunden. Noch immer keine Spur von Renate.
    Gerda fragte sich, weshalb sie heute nicht aufgetaucht war. Als es ihr einfiel, fing sie an zu rennen.

5
    Am Himmelberghof sollte an diesem Tag erstmals die neue Maschine für die Gurkenernte zum Einsatz kommen, die Willi gebaut hatte, und die alle künftigen Gurkenernten revolutionieren sollte.
    Im Gäuboden, im Zellertal, im Lallinger Winkel, überall pflegten zur Zeit der Gurkenreife ganze Heerscharen von Erntehelfern durch die Gurkenfelder zu krabbeln. Sie ruinierten sich dabei die Bandscheiben, die Knie, die Halswirbel und kamen trotzdem viel zu langsam voran. Denn die Gürkchen wuchsen schneller, als man sie pflücken konnte. Für ihre Bestimmung als Essiggurken durften sie aber eine Länge von zehn Zentimetern keinesfalls überschreiten. Sobald sie das taten, waren sie nicht mehr viel wert.
    Im Gäuboden, im Zellertal, im Lallinger Winkel, überall hatten sich die Bauern mit diesem Übelstand abgefunden. Sie nahmen die Lage hin, wie sie Frost im Mai und Hagelstürme im August hinnahmen, und dachten nicht weiter darüber nach.
    Auch Willi hatte sich wohl keine Gedanken darüber gemacht, bis er eines Tages in einer Zeitschrift das Prinzip eines Gurkenfliegers abgebildet sah. Er brauchte vermutlich zwei, drei Nächte, um dahinterzukommen, wie zweckdienlich dieses Gerät war, dann erklärte er öffentlich, dass es sich als bahnbrechend erweisen würde.
    Statt im Kriechgang von Pflänzchen zu Pflänzchen zu robben, konnten Saisonarbeiter auf einem Gurkenflieger die Früchte bequem im Liegen ernten. Bäuchlings nebeneinander auf die Tragflächen eines ausgedienten Flugzeugs gereiht, mussten sie nur die Finger ausstrecken, um ein Gürkchen zu pflücken. Willi hatte die Abbildung in der Zeitschrift wieder und wieder studiert, er hatte sie Rita und Max gezeigt, Anna und Sepp und sogar Gerda.
    Die Tragflächen waren auf einen Traktor montiert, der sie durchs Gurkenfeld zog. So schwebten die Gurkenpflücker luftig über jede einzelne Pflanze hinweg. Sie knipsten mühelos Gürkchen für Gürkchen vom Stängel und ließen es in eine Rinne unter den Tragflügeln plumpsen, durch die es in einen Auffangbottich kollerte.
    Auf die Frage, wie zwei Fliegertragflächen zu beschaffen seien, fand sich allerdings lange keine Antwort. Bis Willis Frau Ella eines Abends sagte:
    »Du musst mit dem Max seinem Bub reden, dem kommt nicht leicht was aus. Der Wolli bringt’s fertig und treibt dir das Nachthaferl vom König Ludwig auf, wenn’s sein muss.«
    Willi sprach bei Max vor, und eine Woche später wurde ihm ein ausgedientes Flugzeugtragwerk geliefert – gratis und in der für sein Projekt optimalen Größe.
    Wie sich jedoch herausstellte, war das nicht Wollis Verdienst gewesen.
    Max brauchte Wollis Hilfe nun nicht mehr, um verheimlichte Sachverhalte zu klären oder unterschwellig Schlummerndes aufzustöbern, denn er pflegte mittlerweile seine eigenen Kontakte. Die kleinen Steuerfischchen wie den Bäcker Veit oder den Metzger von Neuhausen hatte er längst an einen jungen Kollegen abgetreten. Max selbst machte jetzt Betriebsprüfungen bei Leuten mit signifikant höheren Umsätzen.
    Viele seiner Klienten hatten eine Cessna im Hangar am Sportflugplatz stehen oder zumindest einen Geschäftsfreund bei Messerschmitt. Deshalb war es für Max ganz einfach gewesen, seinem Bruder das benötigte Tragwerk zu beschaffen.
    Die neue Klientel hatte Max

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