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Der kleine Fluechtling

Der kleine Fluechtling

Titel: Der kleine Fluechtling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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Hund herum.
    Didi ließ sich auf den Sandboden fallen. Gerda sah ihn erschrocken an. »Didi, du ruinierst dir die neue Anzughosn!« Gabardine, fügte sie in Gedanken hinzu.
    »So ein bisserl Sand schad doch nix«, sagte Didi lachend und fegte mit der flachen Hand ein paar kleine Steinchen neben sich weg. »Komm, setz dich her zu mir.«
    »Gwiss net«, antwortete Gerda und strich beschützend über die weißen Bahnen ihres weit schwingenden Rocks.
    Daraufhin breitete Didi sein Taschentuch aus und schmeichelte: »Setz dich da drauf. Wirst sehn, es reut dich nicht. Im ganzen Landkreis gibt’s kein behaglicheres Plätzchen als wie das hier. Die Donau plätschert, die Vögel singen, die Pappeln flüstern …«
    »Meinst?«, fragte Gerda und blickte sich um.
    Sie sah ein Bündel verrotteter Äste in einem Wasserstrudel kreisen, hörte die Möwen schrill schreien und roch das Strandgut, das in Haufen vor sich hin faulte. Da sagte sie entschieden: »Bleib sitzen, Didi, lass dich net drausbringen. Ich geh rüber in die Mettnerstraß, da hält der Bus eh in einer Viertelstund.«
    Didi stand seufzend auf. »Ohne dich is net halb so schön. Fahrn wir zurück in die Stadt.«
    Er wirkte nachdenklich, als er am Busbahnhof von der Vespa stieg.
    »Dank dir schön«, sagte Gerda, »bis Montag dann.«
    »Ähm«, machte Didi.
    Gerda sah ihn irritiert an. Didi hatte noch nie so zögerlich geklungen.
    Er lächelte schüchtern. »Im Café Mitterwallner spielt a neue Musikband. Die ganze Stadt red von nix anderm. Der Trompeter heißts, blast rein wie der Louis Armstrong in seine besten Tag.« Didi unterbrach sich und studierte einen Augenblick lang Gerdas Gesicht. Offensichtlich ermunterte ihn, was er darin las, denn er sprach angeregt weiter: »Fünf Musiker sinds. Drüben am Mühlbach sinds miteinander aufgwachsen, erzählen die Leut. Ham sich damals ›Hafenbande‹ gnannt. Später solln sie sich eine Zeit lang aus den Augen verlorn ham, bis sie als Musikband wieder zammgfundn ham.«
    Didi warf Gerda erneut einen forschenden Blick zu, fand sie anscheinend hinreichend interessiert und redete eilig weiter: »Den Trompeter nennen alle ›Stumpen‹, weil er’s höchstens auf einen Meter fünfundsechzig bringt – mit Hut. Am Schlagzeug hockt ein Prackl von Mannsbild mit einem Gnack wie ein Stier. Kein Wunder, dass er Bulli grufen wird. Der mit der Gitarre nennt sich Sabe, und am Klavier sitzt der Anton. Das is der Bruder vom Trompeter-Stumpen.« Didi holte hastig Luft und fuhr auch schon fort: »Aber das Zugpferd von dem Ganzen is der Bandleader, der Saxophonist. Er schaut aus wie der Lex Barker und is Juniorchef von der Brauerei Keisling.«
    »Den kenn ich«, rief Gerda.
    »Freilich kennst den«, erwiderte Didi, bevor sie weitersprechen konnte, »der spielt ja in den Karl-May-Filmen den Old Shatterhand.«
    »Den Juniorchef von der Brauerei Keisling kenn ich«, korrigierte sie ihn. »Er heißt Gerhard Schwarz. Früher is er oft in der Burgel ihren Laden kommen, aber jetz hab ich ihn schon lang nimmer gsehn.«
    Didi sah sie listig an und sagte: »Wär’s die Hafenband nicht wert, dass du morgen mit mir zum Tanztee ins Mitterwallner gehst?«
    Die Band, dachte Gerda, ja, die ist es vielleicht wert, aber ganz besonders das Café Mitterwallner selbst.
    Denn dort ging hin, wer dazugehören wollte. Dort trafen sich Georgetteröcke von Schötz und Organzakleider von Krauth, Polyesterplissees vom Kaufhaus Paul und selbst genähte Hängerchen von der Singer-Tretnähmaschine, Merinohosen von Bekkler und Synthetikhemden von Quelle am Sonntagnachmittag zum Tanztee.
    »Ich tät wirklich gern mitgehn«, sagte Gerda aufrichtig, »aber ob’s die Mama halt erlaubt …«
    Sie sprach nicht weiter, weil der Bus nach Neuhausen soeben am Bürgersteig hielt.
    »Am Sonntag um halb fünf wart ich beim Streuselwirt in Neuhausen auf dich«, rief ihr Didi zu, während sie einstieg.
    Als Anna Langmoser hörte, dass der Brauerei-Erbe sonntags zwischen fünf und sieben im Café Mitterwallner zu finden war, gab sie Gerda die Erlaubnis, zum Tanzteenachmittag zu gehen, und lieh ihr für diesen Anlass sogar ihren Aquamarinanhänger.
    »Weil der wirklich was hermacht.«
    Gerda nahm das Schmuckstück dankbar an, entschied sich daraufhin für das (mit ihm harmonisierende) blaue Kleid und fand sich am Sonntag pünktlich um halb fünf vor dem Dorfwirtshaus ein.
    Zwanzig Minuten später nahm sie auf einem süßlila Kunstlederstühlchen an einem runden Tisch Platz und begann

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