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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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italienischen und schwarzen Kindern, die auf der Straße zusammen Fußball spielten, und einem schmuddeligen, chaotischen Lebensmittelladen, hinter dessen Theke ein alter Mann mit einem goldenen Schneidezahn stand und harte italienische Kekse und buntes italienisches Eis und lose Zigaretten für fünf Cent das Stück verkaufte.
    »Eigentlich schon, aber Edie ist auch auf dem Friedhof. Sie ist die Vorsitzende des Garden Club.«
    Hely akzeptierte diese Absage ohne Nachfrage. Er ging Edie nach Möglichkeit aus dem Weg, und dass Harriet ihr nicht begegnen wollte, wunderte ihn nicht im Geringsten. »Dann können wir ja zu mir nach Hause fahren«, sagte er und schleuderte sich die Haare aus den Augen. »Komm.«
    »Vielleicht ist meine Tante Tatty zu Hause.«
    »Wieso spielen wir nicht bei dir oder bei mir auf der Veranda?« Ziemlich verbittert warf Hely eine Erdnussschale aus seiner Hosentasche gegen die Windschutzscheibe eines geparkten Autos. Libby war in Ordnung, aber die beiden anderen Tanten waren fast so schlimm wie Edie.

    Harriets Tante Tat war mit den anderen vom Garden Club auf dem Friedhof gewesen, aber wegen ihres Heuschnupfens hatte sie darum gebeten, dass man sie nach Hause fuhr. Sie war gereizt, ihre Augen juckten, sie hatte dicke rote Striemen von den Winden auf den Handrücken, und sie hatte ebenso wenig Verständnis wie Hely für dieses sture Beharren darauf, an diesem Nachmittag bei ihr zu Hause zu spielen. Als sie die Tür öffnete,
hatte sie immer noch ihre schmutzigen Gartensachen an: Bermudashorts und ein kittellanges afrikanisches Dashiki. Edie besaß ein ganz ähnliches Gewand; ein befreundeter Baptistenmissionar, der in Nigeria stationiert war, hatte sie ihnen mitgebracht. Der Stoff war farbenprächtig und kühl, und die beiden alten Damen trugen die exotischen Geschenke häufig, wenn sie leichte Gartenarbeit oder andere Besorgungen zu erledigen hatten. Der Black-Power-Symbolik, die ihre »Kaftane« in den Augen neugieriger Betrachter ausstrahlten, waren sie sich überhaupt nicht bewusst. Junge Schwarze hängten sich aus den Fenstern vorüberfahrender Autos und salutierten Edie und Tatty mit erhobener Faust. »Gray Panther!«, schrien sie, und: »Eldridge und Bobby, right on !«
    Tattycorum machte die Arbeit im Freien keinen Spaß, aber Edie hatte sie drangsaliert, bis sie sich an dem Projekt des Garden Club beteiligt hatte. Jetzt wollte sie nur Khakis und »Kaftana loswerden und in die Waschmaschine stopfen. Sie brauchte eine Benadryl gegen ihren Heuschnupfen, sie brauchte ein Bad, und sie wollte ihr Buch aus der Bibliothek zu Ende lesen, ehe es morgen zurückgebracht werden musste. Sie war nicht erfreut, als sie die Tür öffnete und die Kinder vor sich sah, aber sie begrüßte sie gnädig und nur mit einem Hauch von Ironie. »Wie du siehst, Hely, bin ich im Moment nicht präsentabel«, sagte sie zum zweiten Mal, und sie führte die beiden auf gewundenen Pfaden durch die halbdunkle Diele, die durch schwere alte Anwaltsbücherschränke noch enger wirkte, in ein formelles Wohn- und Esszimmer, das von dem wuchtigen Mahagoni-Sideboard und der Anrichte aus »Drangsal« und einem fleckigen alten goldgerahmten Spiegel, der bis an die Decke reichte, erdrückt wurde. Raubvögel auf Kupferstichen funkelten aus der Höhe auf sie herab. Ein gewaltiger Malayer-Teppich, ebenfalls aus »Drangsal« und viel zu groß für irgendein Zimmer in diesem Haus, lag baumdick zusammengerollt vor der Tür am anderen Ende wie ein samtener Stamm, der quer über dem Weg eigensinnig verrottete. »Passt auf hier«, sagte sie und streckte die Hand aus, um den Kindern nacheinander hinüberzuhelfen wie eine Pfadfinderführerin,
die sie im Wald über einen umgestürzten Baum leitete. »Harriet wird dir sagen, dass Adelaide die Hausfrau in der Familie ist. Libby versteht sich auf Kinder, und Edith sorgt dafür, dass die Züge pünktlich fahren. Ich bin für all das nicht geboren. Nein, mein Daddy nannte mich immer die Archivarin. Weißt du, was das ist?«
    Mit rot geränderten Augen warf sie einen Blick zurück, stechend und belustigt. Unter einem Wangenknochen war ein Streifen Schmutz. Unauffällig schlug Hely die Augen nieder, denn er hatte ein bisschen Angst vor Harriets alten Ladys mit ihren langen Nasen und ihrem durchtriebenen, vogelartigen Benehmen, das ihn immer an einen Hexenzirkel denken ließ.
    »Nein?« Tat wandte den Kopf ab und nieste heftig. »Archivarin«, sagte sie schnaufend, »ist nur ein vornehmes Wort für

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