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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Zeiten, da gab’s nicht Massen von zweitklassigen kleinen Flüssen und Bächen wie heute. Da gab’s nur den einen.«
    Drüben auf Mrs. Fountains Schornstein flatterte der Vogel knapp und geschäftsmäßig mit den Flügeln und flog weg.
    »Ach nee. Da geht er hin. Will meine Geschichte nicht hören.« Mit tiefem Seufzen schaute Ida auf die Uhr, und zu Harriets Bestürzung streckte sie sich und stand auf. »Ist auch Zeit, dass ich nach Hause gehe.«
    »Erzähl’s uns trotzdem!«
    »Morgen erzähl ich’s euch.«
    »Ida, geh nicht!«, rief Harriet, als Ida das kurze, zufriedene Schweigen beendete, indem sie seufzte und sich zur Tür in Bewegung setzte, langsam, als ob ihr die Beine wehtäten. »Bitte...«
    »Oh, ich komm morgen wieder«, sagte Ida trocken und ohne sich umzudrehen. Sie klemmte sich die braune Papiertüte mit ihren Lebensmitteln unter den Arm und ging schwerfällig hinaus. »Keine Sorge.«

    »Hör mal, Danny«, sagte Farish, »Reese fährt nach Hause. Also werden wir heute Abend in die Stadt gehen und uns Eugenes«, zerstreut wedelte er mit der Hand, »du weißt schon. Diesen Kirchenquatsch anhören müssen.«
    »Warum?«, fragte Danny und schob seinen Stuhl zurück. »Warum müssen wir das?«
    »Der Junge fährt morgen. Morgen früh, wie ich ihn kenne.«
    »Na, komm, dann fahren wir einfach zur Mission und packen den Stoff jetzt in seinen Truck.«
    »Das geht nicht. Er ist irgendwo hingefahren.«
    »Verdammt.« Danny saß da und dachte kurz nach. »Wo willst du es denn verstecken. Im Motor?«
    »Ich kenne Stellen, da könnte das FBI die Karre auseinander nehmen, ohne was zu finden.«
    »Wie lange wirst du brauchen?... Ich sag, wie lange wirst du brauchen?«, wiederholte er, als er ein feindseliges Funkeln in Farishs Augen aufleuchten sah. »Ich meine, um den Stoff zu verstecken.« Farish war auf einem Ohr ein bisschen schwerhörig von der Schussverletzung, und wenn er zugedröhnt und paranoid war, verstand er manchmal auf eine ziemlich verquere Art alles falsch, was man sagte. Dann dachte er, man hätte ihm gesagt, er solle sich verpissen, wenn man ihn in Wirklichkeit nur gebeten hatte, die Tür zuzumachen oder das Salz rüberzureichen.
    »Wie lange, sagst du?« Farish hielt fünf Finger hoch.
    »Okay. Dann machen wir Folgendes. Wir sparen uns die Predigt und gehen hinterher zur Mission. Ich beschäftige die beiden oben, und du gehst raus und versteckst das Paket im Truck, was weiß ich wo. Fertig.«
    »Weißt du, was mich beunruhigt?«, sagte Farish unvermittelt. Er setzte sich zu Danny an den Tisch und fing an, sich mit einem Taschenmesser die Fingernägel sauber zu machen. »Da war vorhin ein Wagen bei Gene. Er hat mich deshalb angerufen.«
    »Ein Wagen? Was für’n Wagen?«
    »Unmarkiert. Parkte vor dem Haus.« Farish seufzte gereizt.
»Sind abgehauen, als sie sahen, dass Gene aus dem Fenster guckte.«
    »Bedeutet wahrscheinlich nichts.«
    »Was?« Farish bog sich zurück und blinzelte. »Flüster hier nicht rum. Ich kann’s nicht ausstehen, wenn du flüsterst.«
    »Ich hab gesagt, es ist nichts. « Danny schaute seinen Bruder eindringlich an und schüttelte den Kopf. »Was sollte irgendjemand von Eugene wollen?«
    »Die haben’s nicht auf Eugene abgesehen«, sagte Farish düster, »sondern auf mich. Ich sag dir, es gibt Regierungsstellen, die haben eine so dicke Akte über mich.«
    »Farish.« Es war nicht gut, wenn Farish mit der Bundesregierung anfing – nicht, wenn er so high war wie jetzt. Seine Tiraden würden die ganze Nacht und bis in den nächsten Tag hinein dauern.
    »Hör mal«, sagte er, »wenn du diese Steuer einfach bezahlen würdest...«
    Farish warf ihm einen kurzen, wütenden Blick zu.
    »Vorgestern ist ein Brief gekommen. Wenn du deine Steuer nicht bezahlst, Farish, dann werden sie dich irgendwann greifen.«
    »Es geht nicht um Steuern«, sagte Farish. »Die Regierung beobachtet meinen Arsch schon seit zwanzig Jahren.«

    Harriets Mutter stieß die Tür auf und kam in die Küche, wo Harriet, den Kopf auf die Hände gestützt, zusammengesunken am Tisch saß. In der Hoffnung, dass man sie fragen würde, was ihr fehle, sank sie noch weiter zusammen, aber ihre Mutter nahm keine Notiz von ihr, sondern ging geradewegs zum Gefrierschrank und wühlte die gestreifte Familienpackung mit ihrem Pfefferminzeis heraus.
    Harriet sah zu, wie sie sich auf die Zehenspitzen erhob, um ein Weinglas vom obersten Regal zu nehmen, und dann umständlich ein paar Löffel Eiscreme hineinschaufelte.

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