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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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mir gesprochen!«
    »Lasst uns alle hineingehen«, sagte Edie, denn der Morgen wurde allmählich heiß. »Ich habe eine Kanne Kaffee gekocht. Natürlich nur für diejenigen, die welchen trinken können.«
    »Oh«, sagte Adelaide und blieb stehen, um ein Beet mit rosaroten
Lilien zu bewundern, »die gedeihen ja wirklich prachtvoll.«
    »Die Zephyrlilien? Die hab ich draußen auf dem Grundstück geholt. Hab sie mitten im Winter ausgegraben und eingetopft, aber im Sommer darauf ist nur eine einzige gekommen.«
    »Und jetzt sieh sie dir an!« Adelaide beugte sich über die Blumen.
    »Mutter nannte sie«, sagte Libby und spähte über das Verandageländer, »Mutter nannte sie immer ihre rosa Regenlilien.«
    »Zephyr ist der richtige Name.«
    »Rosa Regen, so nannte Mutter sie. Wir hatten sie bei ihrer Beerdigung, und Tuberosen. Es war so heiß, als sie starb...«
    »Ich muss jetzt ins Haus«, unterbrach Edie sie. »Ich kriege sonst einen Hitzschlag. Ich bin drinnen und trinke eine Tasse Kaffee – wann immer ihr so weit seid.«
    »Würde es dir zu viele Umstände machen, einen Kessel Wasser für mich aufzusetzen?«, fragte Adelaide. »Ich vertrage keinen Kaffee, er macht mich ...«
    Wild? « Edie zog eine Braue hoch. »Na, aber wir möchten keineswegs, dass du wild wirst, nicht wahr, Adelaide?«

    Hely hatte mit dem Fahrrad alles abgeklappert, aber Harriet war nirgends zu finden. Die (selbst für Harriets Verhältnisse) merkwürdige Atmosphäre bei ihr zu Hause war beunruhigend. Er war hineinspaziert und hatte Allison weinend am Küchentisch gefunden, während Ida geschäftig den Fußboden wischte, als ob sie es weder hören noch sehen könnte. Keine der beiden hatte ein Wort gesagt. Er hatte Gänsehaut bekommen.
    Er beschloss, es in der Bibliothek zu versuchen. Ein Strom von künstlich gekühlter Luft wehte ihm entgegen, als er die Glastür aufstieß. In der Bibliothek war es immer kalt, im Winter wie im Sommer. Mrs. Fawcett schwenkte auf ihrem Drehstuhl hinter der Ausleihtheke herum und winkte ihm zu. Ihre Armreifen klingelten.
    Hely winkte zurück, und ehe sie ihn beim Kragen nehmen und versuchen konnte, ihn für den sommerlichen Lesewettbewerb zu gewinnen, marschierte er, so schnell und so höflich wie nur möglich, hinüber in den Raum mit den Nachschlagewerken. Harriet saß unter einem Porträt von Thomas Jefferson und hatte die Ellenbogen auf den Tisch gestützt. Aufgeschlagen vor ihr lag das größte Buch, das er je gesehen hatte.
    »Hey«, sagte er und ließ sich auf den Stuhl neben ihr fallen. Er war so aufgeregt, dass er kaum leise sprechen konnte. »Rate mal. Danny Ratliffs Auto parkt vor dem Gericht.«
    Sein Blick fiel auf das riesige Buch, und er erkannte, dass es ein Band Zeitungen war. Erschrocken erblickte er auf dem vergilbten Zeitungspapier ein geisterhaftes, körniges Foto von Harriets Mutter mit offenem Mund und zerzausten Haaren vor Harriets Haus. TRAGÖDIE AM MUTTERTAG lautete die Schlagzeile. Im Vordergrund schob eine verschwommene Männergestalt eine Bahre in etwas, das aussah wie das Heck eines Krankenwagens, aber man konnte nicht genau erkennen, was darauf lag.
    »Hey«, sagte er laut und selbstzufrieden, »das ist ja euer Haus.«
    Harriet klappte den Band zu und deutete auf ein Schild mit der Aufschrift »Sprechen verboten«.
    »Komm«, flüsterte Hely und winkte ihr, sie solle ihm folgen. Wortlos schob Harriet ihren Stuhl zurück und folgte ihm nach draußen.
    Die beiden traten hinaus auf den Gehweg in Hitze und gleißendes Licht.
    »Es ist Danny Ratliffs Wagen. Ich kenne ihn«, sagte Hely und überschattete die Augen mit der Hand. »Es gibt nur einen einzigen solchen TransAm in der Stadt. Wenn er nicht genau vor dem Gericht parken würde, weißt du, was ich dann machen würde? Ich würde eine Glasscherbe unter den Reifen schieben.«
    Harriet dachte an Ida Rhew und Allison, die jetzt zu Hause hinter zugezogenen Vorhängen saßen und ihre blöde Soap Opera mit Geistern und Vampiren anschauten.
    »Lass uns die Schlange holen und in seinen Wagen legen«, sagte sie.
    »Ausgeschlossen.« Hely war jäh ernüchtert. »Wir können sie nicht auf die Karre laden und wieder hierher bringen. Jeder würde uns sehen.«
    »Was hat es für einen Sinn, sie zu klauen«, fragte Harriet erbittert, »wenn wir nicht dafür sorgen, dass sie ihn beißt?«
    Sie standen eine Weile schweigend auf der Bibliothekstreppe. Schließlich seufzte Harriet und sagte: »Ich gehe wieder rein.«
    »Warte!«
    Sie drehte sich

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