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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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herausforderndes Starren zu bemerken.
    Nach ein paar Augenblicken, in denen Edie ihren Gedanken nachhing, knarrten Schritte auf der hinteren Veranda. »Hallo?« Eine Schattengestalt, die Hand an der Stirn, spähte durch das Fliegengitter herein. »Edith?«
    »Ja, was sagt man dazu!«, rief eine zweite Stimme, dünn und fröhlich. »Ist das Harriet, die du da bei dir hast?«
    Bevor Edie vom Tisch aufstehen konnte, war Harriet hochgesprungen und zur Tür gesaust – vorbei an Tat, hinaus zu Libby auf der Veranda.
    »Wo ist Adelaide?«, fragte Edie und sah Tat an, die an ihr vorbei Harriet anlächelte.
    Tat verdrehte die Augen. »Sie wollte noch zum Laden und ein Glas koffeinfreien Kaffee kaufen.«
    »Du meine Güte«, sagte Libby draußen auf der Veranda mit leicht erstickter Stimme. »Harriet, du lieber Himmel! Was für eine freudige Begrüßung...«
    »Harriet«, rief Edie scharf. »Häng dich nicht so an Libby.«
    Sie wartete und lauschte. Auf der Veranda hörte sie Libby sagen: »Bist du auch sicher, dass dir nichts fehlt, mein Engel?«
    »Himmel«, sagte Tatty, »weint das Kind etwa?«
    »Libby, wie viel bezahlst du Odean pro Woche?«
    Edie stand auf und marschierte zur Fliegentür. »Das geht dich nichts an, Harriet«, fauchte sie. »Komm ins Haus.«
    »Ach, Harriet tut mir doch nichts.« Libby zog ihren Arm zurück, schob ihre Brille zurecht und schaute Harriet mit unschuldsvoller und argloser Verblüffung an.
    »Deine Großmutter will sagen«, Tat folgte Edie auf die Veranda, denn von Kindesbeinen an war es ihre Aufgabe gewesen, Edies scharfe Machtworte und Dekrete diplomatisch neu
zu formulieren, »sie will sagen, Harriet, dass es unhöflich ist, Leuten Fragen über Geld zu stellen.«
    »Mir macht das nichts«, sagte Libby loyal. »Harriet, ich zahle Odean fünfunddreißig Dollar die Woche.«
    »Mutter zahlt Ida nur zwanzig. Das ist nicht recht, oder?«
    »Naja«, sagte Libby nach kurzem Zögern und klapperte verdutzt mit den Lidern, »ich weiß nicht. Ich meine, deine Mutter tut nichts Unrechtes , aber...«
    Edie war entschlossen, den Morgen nicht mit einer Diskussion über eine gefeuerte Haushälterin zu verschwenden. »Dein Haar sieht hübsch aus, Lib«, unterbrach sie. »Sieht ihr Haar nicht hübsch aus? Wer hat es gemacht?«
    »Mrs. Ryan«, sagte Libby und hob ratlos die Hand an die Schläfe.
    »Wir sind inzwischen alle so grau geworden«, sagte Tat vergnügt. »Man kann uns kaum noch voneinander unterscheiden.«
    »Findest du Libbys Haar nicht schön?«, fragte Edie streng. »Harriet?«
    Harriet war den Tränen nahe. Wütend schaute sie weg.
    »Ich kenne ein kleines Mädchen, das auch einmal einen Haarschnitt gebrauchen könnte«, sagte Tat schelmisch. »Schickt dich deine Mutter immer noch zum Herrenfriseur, Harriet, oder darfst du schon in den Beauty-Salon?«
    »Ich denke, Mr. Liberti kann das genauso gut und kostet nicht halb so viel«, sagte Edie. »Tat, du hättest Adelaide sagen sollen, dass sie nicht erst zum Laden gehen muss. Ich habe ihr gesagt, dass ich heiße Schokolade in diesem kleinen Einzelpäckchen habe, die ich für sie eingepackt habe.«
    »Edith, das habe ich ihr gesagt, aber sie verträgt keinen Zucker.«
    Edie zog boshaft und in gespieltem Erstaunen die Brauen hoch. »Warum nicht? Macht Zucker sie etwa auch wild ?« Adelaide lehnte es seit kurzem ab, Kaffee zu trinken, und gab dies als Grund dafür an.
    »Wenn sie koffeinfreien Kaffee haben will, sehe ich nicht ein, warum sie keinen kriegen soll.«
    Edie schnaubte. »Ich auch nicht. Ich möchte keinesfalls, dass Adelaide wild wird.«
    »Was? Was ist denn das mit diesem wild ?«, fragte Libby erschrocken.
    »Ach, weißt du das nicht? Adelaide verträgt keinen Kaffee. Denn Kaffee macht sie wild .« Adelaide hatte erst kürzlich angefangen, das zu erzählen, weil ihre alberne Chorfreundin Mrs. Pitcock herumlief und das Gleiche behauptete.
    »Na, ich trinke ab und zu selbst gern ein Tässchen Koffeinfreien«, sagte Tat. »Aber es ist nicht so, dass ich ihn haben muss. Ich kann auch gut darauf verzichten.«
    »Wir fahren aber doch nicht nach Belgisch-Kongo! In Charleston kann man koffeinfreien Kaffee kaufen, und es gibt keinen Grund, weshalb sie eine Riesendose davon im Koffer mit sich herumschleppt!«
    »Warum denn nicht? Wenn du heiße Schokolade mitnimmst? Für dich ?«
    »Du weißt, wie früh Addie immer aufsteht, Edith«, warf Libby bang ein. »Sie hat Angst, dass der Zimmerservice erst um sieben oder um acht

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