Der kleine Freund: Roman (German Edition)
ahnte, was Danny dachte.
Und man konnte eine Menge in die Tatsache hineinlesen, dass Farish die Drogen ausgerechnet in einem Wassertank versteckt hatte: ein gezielter Schlag ins Gesicht für Danny. Farish wusste, wie viel Angst Danny vor Wasser hatte seit dem Versuch ihres Vaters, ihm im Alter von vier oder fünf Jahren das Schwimmen beizubringen, indem er ihn einfach von einem Steg in den See geworfen hatte. Statt zu schwimmen – wie Farish und Mike und seine anderen Brüder es getan hatten, als dieser Trick an ihnen ausprobiert worden war – war Danny untergegangen. Er erinnerte sich noch ganz deutlich an das Grauen des Versinkens und an das nächste Grauen, als er würgend sandig graues Wasser ausgespuckt hatte, während sein Vater (wutentbrannt, weil er in voller Kleidung hatte ins Wasser springen müssen) ihn anschrie. Danny hatte den abgenutzten Steg hinter sich gelassen und nie wieder den Wunsch verspürt, in tiefem Wasser zu schwimmen.
Perverserweise hatte Farish auch die praktischen Gefahren ignoriert, die sich damit verbanden, das Zeug in einer feuchten Umgebung zu lagern. An einem regnerischen Tag im März war
Danny mit Farish im Labor gewesen, als der Stoff wegen der Luftfeuchtigkeit nicht hatte kristallisieren wollen. Sie hatten machen können, was sie wollten, das Zeug hatte zusammengepappt und sich auf dem Spiegel unter ihren Fingern zu einer klebrigen, festen Paste verklumpt: unbrauchbar.
Resigniert nahm Danny eine Nase, um seine Nerven zu beruhigen, und dann warf er seine Zigarette aus dem Fenster und ließ den Motor an. Als er wieder auf der Straße war, vergaß er seine eigentliche Aufgabe (die Stromrechnung seiner Großmutter zu überweisen) und fuhr noch einmal am Bestattungsinstitut vorbei. Catfish saß noch in der Limo, aber das Mädchen nicht mehr, und draußen auf der Treppe wimmelten zu viele Leute herum.
Vielleicht fahr ich noch mal um den Block, dachte er.
Grace Fountain kam ziemlich befangen die Stufen an Edies Veranda herauf und durch die Haustür herein. Sie folgte den Stimmen und dem festlichen Gläserklingen durch einen Flur, der durch wuchtige Bücherschränke mit Glastüren sehr schmal war, in ein überfülltes Wohnzimmer. Ein Ventilator surrte. Das Zimmer war voller Menschen: Männer, die ihr Jackett abgelegt hatten, Frauen mit rosigen Gesichtern. Auf der Spitzentischdecke standen eine Punschbowle, Teller mit Schinkenbrötchen und silberne Schälchen mit Erdnüssen und gebrannten Mandeln. Ein Stapel roter Papierservietten ( schäbig , fand Mrs. Fountain) trug Edies Monogramm in Gold.
Mrs. Fountain umklammerte ihre Handtasche und wartete in der Tür darauf, dass man sie begrüßte. Im Vergleich zu ihrem war Edies Haus kleiner, eigentlich eher ein Bungalow, aber Mrs. Fountain stammte vom Land – »von guten Christen«, wie sie gern betonte, aber es waren trotzdem Hinterwäldler –, und die Punschbowle schüchterte sie ebenso ein wie die goldfarbenen Seidenvorhänge und der große Esstisch im Plantagenstil, an dem, wenn man ihn ausklappte, mindestens zwölf Personen Platz fanden, und das übermächtige Porträt von Richter Cleves Vater, das den Kamin darunter winzig aussehen
ließ. Ringsum an den Wänden standen wie in einer Tanzschule aufgereiht vierundzwanzig Esszimmerstühle mit lyraförmiger Lehne und Petit-point-besticktem Sitzpolster, und wenn das Zimmer auch ein bisschen klein und ein bisschen niedrig war für so viele große, dunkle Möbel, ließ das alles sie trotzdem kleinlaut werden.
Edith, die eine weiße Cocktailschürze über dem schwarzen Kleid trug, entdeckte Mrs. Fountain, stellte ein Tablett mit Brötchen ab und kam herüber. »Ja, Grace! Danke, dass Sie hereinschauen.« Sie trug ein schweres schwarzes Brillengestell – eine Männerbrille, wie sie Mrs. Fountains verstorbener Ehemann Porter getragen hatte. Nicht sehr schmeichelhaft, fand Mrs. Fountain, für eine Lady. Außerdem trank sie aus einem Wasserglas (das unten mit einer feuchten Weihnachtsserviette umwickelt war) etwas, das aussah wie Whiskey mit Eis.
Mrs. Fountain konnte sich nicht verkneifen zu bemerken: »Sieht aus, als ob Sie feierten – so eine große Party hier, nach der Beisetzung.«
»Man kann sich ja nicht einfach hinlegen und sterben«, blaffte Edie. »Gehen Sie rüber, und holen Sie sich was von den Hors d’œuvres, bevor sie kalt werden, ja?«
Mrs. Fountain blieb verwirrt stocksteif stehen und ließ den Blick ziellos über weiter entfernte Gegenstände wandern.
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